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Heft 231, Juni 2008

 


Hans Gruber : Ein Hoch auf Günter Lauinger
Aktuelle Meldungen
Wolfgang Dittmann 75 Jahre
Gedenkturnier zu Ehren von Klaus-Peter Zuncke
(9. März 1954–15. November 2007)
Odette Vollenweider: Lebendige Klassik – Kompositionen von Juri Marker
Boris Tummes mit zwei Titeln
Werner Keym: Vorschlag zur Optimierung des Kodex
Entscheid im Informalturnier 2003, Abteilung Mehrzüger
Entscheid im Informalturnier 2004, Abteilung Mehrzüger
Preisbericht: Gerhard-Josten-70: Matt & Remis
Lothar Finzer: Die ganze Palette der reellenm antithematischen Umdeutung
Urdrucke
Lösungen der Urdrucke aus heft 228, Dezember 2007
Bemerkungen und Berichtigungen
Turnierberichte

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Ein Hoch auf Günter Lauinger
von Hans Gruber, Regensburg
Heft 43 (Februar 1977) bis Heft 230 (April 2008). Mit diesen Daten – verbunden mit einem riesengroßen Dankeschön – könnte sich ein Tribut an Günter Lauinger im Grunde begnügen. In Heft 43 (S. 11-12) verabschiedete sich der damalige Sachbearbeiter bernd ellinghoven unter Hinweis auf das „Studium und vor allem meine zeitraubende Mitarbeit bei feenschach" und freute sich: „(...) ist es mir gelungen, einen (wie ich meine) sehr geeigneten Nachfolger zu finden: Günter Lauinger. (...) Ich hoffe, daß es in Zukunft wieder regelmäßig in der Schwalbe eine Retro-Ecke gibt, denn die fast einjährige retrolose Zeit war mehr als bedauerlich. (...) Günter Lauinger ist eigentlich noch gar nicht so lange beim Problemschach, doch hat er schon früh eine Vorliebe fürs Retroanalytische und Schachmathematische entwickelt. Ich wünsche Dir, lieber Günter, daß Du (...) die Schwalbe-Retro-Abteilung auf einem permanenten Höhenflug halten kannst."
Alle diese Wünsche gingen auf das Erfreulichste in Erfüllung: Günter Lauinger brachte das Retro in der Schwalbe zu einer nie geahnten Blüte, er machte unsere Zeitschrift zum Motor eines sich atemberaubend rasch entwickelnden Genres. Der Aufschwung des Retros vom Mauerblümchen und Silvesterscherz zu einem der innovativsten und attraktivsten (wenngleich nie einfach zu bewältigenden) Teile des Problemschachs wurde über mehr als 31 Jahre hinweg von Günter Lauinger dirigiert und inszeniert. Die kreativen Explosionen von Komponisten wie Michel Caillaud, Wolfgang Dittmann, Andrej Frolkin, Nikita Plaksin und vielen anderen waren erst möglich auf dem gesicherten Grund, den Günter Lauinger dem Retro in einer angesehenen Zeitschrift wie der Schwalbe verschaffte. Das Luxus-Problem, das die PCCC der FIDE derzeit plagt – daß so viele erstklassige Probleme in die FIDE-Alben drängen –, hat er durch seine Schwalbe-Redaktionstätigkeit mit verursacht.
Günter Lauingers Wunsch, daß die Retrospalte eine eigenständige Rubrik der Schwalbe bleiben und einen von anderen Sparten unabhängigen Bearbeiter besitzen soll, kann auf diesem Hintergrund natürlich leicht und gern erfüllt werden. (Das Erbe, das Thomas Brand antritt, ist gewiß nicht leicht zu schultern.)
Günter Lauingers Rücktrittsgesuch ist lesenswert: "Obwohl ich nach inzwischen 31 Jahren meinen Rentenwunsch wohl nicht unbedingt begründen muß, will ich doch ein paar Takte dazu sagen: Beruflich war ich ja schon immer im Streß (mit vielen Dienstreisen, das ist auch der Grund dafür, daß ich mich bei den Problemistentreffen so rar gemacht habe, man ist einfach auch gerne mal daheim). Aber es kommt nun auch noch eine nicht unerhebliche familiäre Belastung hinzu. Und dann gibt es einige weitere zeitaufwendige Hobbys, wie z.B. Astronomie mit der gelegentlichen Ausarbeitung von eigenen Vorträgen, naturwissenschaftliche Vorträge an der Volkshochschule und in unserem 'Firmen-Campus', naturwissenschaftliche Literatur, Videobearbeitung, Reisen, Aufbau einer Modelleisenbahn (im Anfangsstadium) usw. usw." Ihm wird es also auch als Schwalbe-Rentner nicht langweilig werden, aber wie sollen die Leser sein Ausscheiden verkraften? Ich entsinne mich, daß ich die Schwalbe seit 1977 regelmäßig bekam, und schon damals stand "Lauinger" hinter/über der Retrospalte, die mich am meisten interessierte. Günter Lauinger verstand es, das Interesse für seine Abteilung zu wecken – notfalls auch mit ungewöhnlichen Fördermaßnahmen, die er damals für einen armen Gymnasiasten in Gang zu setzen wußte: Elegant ermöglichte er es, daß in jedem Heft entweder ein Urdruck oder eine Lösungsbesprechung zu einem Problem von mir abgedruckt wurde, so daß ich bis zum Zwangseintritt 1979 – von Frau Speckmann eingeleitet, die den Überblick über die Akten, insbesondere auch von den Sachbearbeitern (ich übernahm damals die Märchenschach-Abteilung) besaß – die Schwalbe als permanente Belegheftlieferung bezog.
  Günter Lauinger
Die Schwalbe 1979
e.p-Schlag vor 3
Zügen
(13+11)
Verteidigungsrückzüger
Typ Proca
Das war nicht der letzte bleibende Eindruck, den Günter Lauinger auf mich machte, denn gemeinsame Fahrten zu Tagungen (etwa der spektakulären Schwalbetagung in Bad Gandersheim) oder Nach-Andernach-Zelt-und-Camping-Reisen stehen ebenso vermerkt wie die kleine, aber feine "RRR", die Ravensburger Retro-Runde (Günter Lauinger, Hans-Heinrich Schmitz und ich). Es war aber auch nicht der erste große Einfluß, den Günter Lauinger auf mich ausübte – denn die Schwalbe-Tagung, die er 1978 in Ravensburg organisierte, war mein erstes Schachtreffen überhaupt, und fast alle meine alten Bekannten lernte ich dort kennen (z.B. bernd ellinghoven, Hans Peter Rehm, Stephan Eisert, Hilmar Ebert oder Gerhard E. Schoen), aber auch viele der inzwischen verstorbenen Größen des deutschen Problernschachs (z.B. Werner Speckmann, Friedrich Burchard, Fritz Giegold oder Hans-Hilmar Staudte). Das von Günter Lauinger gemachte Angebot, die Schwalbetagung demnächst wieder in Ravensburg zu veranstalten, wäre daher ein autobiographisches Highlight ohnegleichen für mich. Viel zu wenig Aufmerksamkeit und Würdigung hat der hervorragende Retro-Komponist Günter Lauinger bisher erfahren. Dabei ist er in vielen Sätteln zuhause: Klassische Retros, Kamikaze-Retros, Verteidigungsrückzüger, Last Move-Rekorde u.v.a.m. (ein Beispiel ist im Diagramm gedruckt: R: 1.0-0 b7-b6/c7-c6 2.Th6-d6 c7-c6/b7-b6 3.f4:Bg5 & v: 1.h:g6 e.p.) – nun: Die Sachbearbeiterrentenzeit wird er hoffentlich auch dazu nützen, es der Welt zu zeigen, was er auf dem Kompositions- und Konstruktionsbrett zu bieten hat. Darauf dürfen wir gespannt sein.

Entscheid im Informalturnier 2004 der Schwalbe

Abteilung: Mehrzüger Preisrichter: Dieter Kutzborski, Berlin
Als mir das Preisrichteramt nach dem Tod von Alois Johandl angetragen wurde, tat ich mich mit meiner Zusage schwer, weil ich eigentlich wenig Talent für ein solches Amt verspüre. Preisrichterei und Schulmeisterei liegen dicht beieinander, und der persönliche Geschmack eines Preisrichters erweist sich im Rückblick oft als trügerisch, wie sich durch viele Beispiele belegen ließe. Für den Verstorbenen einzuspringen, den ich bei seinen Berlin-Besuchen näher kennen gelernt habe, war letztlich eine Ehrenpflicht.
Unter den 32 Aufgaben des Jahrgangs waren aus meiner Sicht leider nur wenig Spitzenstücke. Michael Herzbergs Bearbeitung des Johandl'schen Karussell-Themas (12461) hätte (in der Version des Urdrucks Heft 214, S. 210) sicher Eingang in diesen Bericht gefunden. Da es ein lustig-beschwingtes Thema ist, mag ich mich mit dem Schlagschlüssel der ursprünglichen Fassung nicht anfreunden. Der Urdruck kommt - auch im weißen Figurenmaterial - dem Wesen des Themas näher. Aber er gehört ja schon in den nächsten Jahrgang.
Unter den Aufgaben gab es einige Kraftakte, die ich aber letztlich nicht berücksichtigt habe. Nr. 12390 ist vom Konzept zwar groß angelegt, Schlüssel und Variantengestrüpp werfen jedoch viele Fragen auf und zeigen die Grenzen der Realisierbarkeit auf. Nr. 12388 bietet mit ihrem Reziprokwechsel nur Scheineffekte, denn in welcher Reihenfolge sich D/T und L verdoppeln und opfern, ist letztlich strategisch ohne Belang. Diese Beispiele will ich nicht anprangern, sie sollen lediglich einige Auswahlkriterien skizzieren.
Aus dem Angebot habe ich die folgenden 7 Aufgaben ausgewählt, wobei ich auf epische Inhaltsbeschreibungen (der Leser findet sie ja in der Lösungsbesprechung) zugunsten von Wertungskriterien verzichtet habe.

1. Preis: 12391
Igor Jarmonow

Die Schwalbe
2. Preis: S. 434, Nr.3
Marcel Tribowski
1. Ehr. Erwähnung:12459
Alois Johandl
(†)
#9 (4+15) #4 (7+15) #8 (7+11)

1. Preis: Nr. 12391 von Igor Jarmonow
Ein makellos gestaffeltes Vorplanproblem, Inhalt und Form sind ausgelotet. Im weißen und schwarzen Spiel finden sich harmonische Elemente (Blockfelder e6 und a5), die den Mechanismus der Aufgabe bestimmen. Auch das Finale ist sehenswert. Kurzum, ein überzeugendes und ästhetisches Stück, das anzuschauen und zu lösen Freude bereitet. — 1.Ld7? f5!; 1.Lf5? c3!; 1.Lg4? g1=S!; 1.Le6! Ta5 2.Lg4 Ta3 3.Lf5 Th4 4.Ld7 Ta6 5.Se6 La5 6.Lb6 a:b6 7.Sc7+ Ka7 8.Sb5+ Ka8 9.Lc6#

2. Preis: S. 434, Nr. 3 von Marcel Tribowski
Der vielseitige und ideenreiche Autor präsentiert mit seinen weißen Hamburgern das originellste Stück des Turniers. Obwohl er sich mit seinem 1. Preis im HPR 60-Turnier noch zu steigern vermochte, ist diese Aufgabe durchaus eigenständig, so daß es mit Blick auf die Turnierkonkurrenz keinen Grund gibt, ihr die Auszeichnung zu verwehren. Vierzüger tun sich in einem Mehrzügerturnier gewöhnlich schwer, weil sie dem Dreizüger näher stehen. Umso erfreulicher, wenn sich gehaltvolle Stücke wie dieses auf dem Langstrecken-Terrain behaupten können. — 1.Dc5/Dc7? [2.c:b3+] Sd7/Sd5!; 1.Sfg3! [2.S:e2+fTh1] f:g3/g:h4 2.Dc5/Dc7 Sd7/Sd5 3.T:d7/T:d5 b:c2 4.De3/D:f4#

1. Ehrende Erwähnung: Nr. 12459 von Alois Johandl (†)
Ein Geistesblitz des Altmeisters, wie immer humorvoll und unterhaltsam. Schwarzer Kraftzuwachs (2 Umwandlungsdamen) und weiße Verstellung der Mattfigur nutzen dem Schwarzen gar nichts — der Löser schmunzelt! Alois Johandl hat durch viele Ideen und Aufgaben die Problem weit bereichert. Lösernahe und ausgewogene Stücke wie dieses werben für das Kunstschach. Es muß gar nicht immer schwere Kost sein. — 1.g6? Tg1! 2.g7+ T:g7 3.f:g7+ Ke7!; 1.Lc3 b1=D 2.Td4 d1=D 3.g6 Tg1 4.g7+ T:g7 5.f:g7+ Ke7 6.g8=S+ Kf8 7.Td8+ D:d8 8.Lg7#

2. Ehr. Erwähnung:12325
Michael Herzberg
3. Ehr. Erwähnung: 12456
Waleri Schawyrin
Lob: 12323
Waleri Kirillow
Michail Mischko
#13 (8+9) #4 (11+12) #9 (8+11)

2. Ehrende Erwähnung: Nr. 12325 von Michael Herzberg
Solide Mehrzügerkost mit einwandfreier Logik. Der Mechanismus ist - wie bei den meisten Mehrzügern - freilich bekannt. Ein etwas farbigeres Finale hätte die Aufgabe aufgewertet. — 1.Lg6? - 2.Sd8+ L:d8 3.Le8+ Kd6!; 1.Lc2! Lc4 2.La4+ Lb5 3.Ld1 Lc4 4.Lf3+ Ld5 5.e4 Lb3,Lc4 6.e5+ Ld5 7.Ld1 Lc4 8.La4+ Lb5 9.Lc2 Lc4 10.Lg6 Sf8 11.Sd8+ L:d8 12.Le8+ Sd7 13.L:d7#

3. Ehrende Erwähnung: Nr. 12456 von Waleri Schawyrin
En-passant Spiel mit dresdnerischen Beigaben, Blockeffekten und guter Drohung. Da ist eine ganze Menge drin, die vielen Bauernzüge machen die Sache aber etwas starr und die Symmetrie stört ein wenig, aber das 2-Varianten-Schema gibt wohl nichts anderes her. — 1.d4? e:d3 e.p. 2.f4 Dc3!; 1.f4? e:f3 e.p. 2.d4 D:g3!; 1.c3! [2.Te5+ K:e5 3.Te7+ Kd5 4.Lf7/L:e4#], 1.- b:c3 2.d4 e:d3 e.p. 3.f4 Ld6 4.Sd8#, 1.- S:g3 2.f4 e:f3 e.p. 3.d4 S:f5 4.Lf7#

Lobe ohne Rangfolge
Lob: Nr. 12323 von Waleri Kirillow & Michail Mischko

Ein bekanntes Schema erfährt durch ein reizvolles TT-Duell mit dem Ziel, dem sL nach dem Zug Tc4 den Weg nach d3 zu versperren, seine Aufwertung. Das alles ist für den Löser etwas schwierig und schwerblütig und fordert analytische Geduld, ist aber nicht ohne Finesse. — 1.Td2? Te2! 2.Td8 La6 3.7d! Lc4!; 1.Td1! [2.Tc4 3.Td8 Ld7 4.T:d7 Te3 5.Te4+ T:e4 6.Sd3#] Te1! 2.Td8 La6 3.Td2 Lc8 4.Tc4 [5.Td8] Te3 S.Td1 Te1,Te2 6.Td8 Ld7 7.T:d7 Te3 8.Te4+ T:e4 9.Sd3#

  Lob: 12198
Ulrich Auhagen
#7 (2+4)
Lob: Nr. 12198 von Ulrich Auhagen
In diesem Turnier konkurrierten einige "Miniaturen" (ich halte von dieser Klassifizierung im Mehrzügerbereich nichts, denn mit steigender Zügezahl läßt sich leicht Material sparen, meist auf Kosten der Prägnanz einer Idee), aber diese Kleinigkeit hat genügend Pfiff. Nicht nur die Schachprovokation im Schlüssel, sondern auch der überraschende side-step der Dame nach b5 bieten genügend Effekte, die man im 6-Steiner eigentlich nicht erwartet. — 1.Kf3! [2.Dh3+] d1=D+ 2.Kg3+ Df3+ 3.K:f3 [4.D:d3+] Ke1 4.Db5 Kd2 5.Db2+ Kd1 6.Kf2 d2 7.Db1#
Wilhelmshorst, August 2005.

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