Heft 303, Juni 2020

Todesfälle

Mit GM György Bakcsi (6.4.1933-11.10.2019) ist einer der letzten Großen der einstigen ungarischen Weltklasse-Komponistenriege verstorben. Bakcsi komponierte sehr vielseitig, zunächst überwiegend allein, aber seit den 1990er Jahren entstanden viele Gemeinschaftskompositionen mit László Zoltán.

György Bakcsi

Ödön Nagy-MT 1967

1. Preis (v)

wKa2, wDh7, wTd1f5, wLd6f7, wSa6h6, wBb2e2e3f2g4g6, sKe4, sDe8, sTc4d8, sLb7g5, sSd7g7, sBa4d5e5f4f6h3

#4 (14+14)

Hier ein komplexer Vierzüger mit zyklischer Vertauschung von vier weißen Zügen im 2., 3. und 4. Zug: 1.Sg8! [2.D:h3 nebst 3.Df3#]; 1.- Tb4 2.Td4+ (A) e:d4 3.S:f6 (B) S:f6 4.Sc5# (C) oder 3.- L:f6 4.Tf4# (D); 1.- Tc2 2.Sc5+ (C) S:c5 3.T:f4+ (D) L:f4 4.S:f6# (B) oder 3.- e:f4 4.Td4# (A); 1.- Lh4 2.S:f6+ (B) S:f6 3.Td4+ (A) e:d4 4.T:f4# (D) oder 3.- T:d4 4.Sc5# (C); 1.- Lh6 2.T:f4+ (D) e:f4 3.Sc5+ (C) T:c5 4.Td4# (A) oder 3.- S:c5 4.S:f6# (B). Die Aufgabe, die ich übrigens nicht in der PDB finden konnte, hat eine etwas unglückliche Veröffentlichungsgeschichte: Im FIDE-Album 1965-67 fehlt die Lösung vollständig (statt ihrer ist die zur vorhergehenden Aufgabe ein zweites Mal abgedruckt). In der von Steen Christensen 1993 herausgegebenen Fehlerliste zu den FIDE-Alben ist zu dieser Aufgabe "Misprint" vermerkt und es wird eine kryptische Lösungsangabe gemacht, die sich mir aber nicht erschließen wollte. Sowohl im FIDE-Album als auch in der von Bakcsi selbst herausgegebenen Ungarischen Schachproblem-Anthologie (1979, auf Deutsch 1983) ist die Stellung ohne den von mir eingefügten sTd8 angegeben. Ohne Td8 ist eine der thematischen Varianten dualistisch: Nach 1.- Lh6 geht auch 2.L:e8 [3.S:f6+ S:f6 4.T:e5#] 2.- S:f5 3.D:d7. Ob der Dual vorher schon bekannt und eventuell behoben wurde, entzieht sich meiner Kenntnis.

Harri Hurme

Apu Lehti 1962

wKb6, wDg6, wTb5g2, wLf6, wSe4, wBa5, sKa8, sTh6, sLh5, sSa6h8, sBb7h7

r#2 (7+7)

Harri Hurme (2.6.1945-23.9.2019) gehörte seit Jahrzehnten zu den regelmäßigen Teilnehmern der PCCC-/WFCC-Treffen und internationaler Lösungsturniere. Daneben war er seit mindestens 30 Jahren im Vorstand der finnischen Problemistenvereinigung tätig und Träger von FIDE-Titeln für Komposition, Lösen und Partiespiel. Seine Ruhe ausstrahlende Persönlichkeit, seine tiefe, etwas knarzige Stimme werden uns fehlen. Harri komponierte seine erste ins FIDE-Album aufgenommene Aufgabe als 17jähriger: 1.La1 [2.Dc6 T:c6#]; 1.- h:g6 2.Sc3 g5#; 1.- S:g6 2.Sg3 Se5#; 1.- L:g6 2.Tgb2 L:e4# und 1.- T:g6+ 2.Sd6 T:d6#.

Yves Tallec (9.12.1927-22.4.2020) war in der Nachfolge von Jean Zeller langjähriger Präsident der französischen Problemistenvereinigung und war trotz seiner 92 Jahre noch sehr aktiv als Autor, Redakteur und Organisator. Bei seinen vielfältigen Aktivitäten kam die Komposition etwas zu kurz. Im April riss ihn das Corona-Virus aus dem Leben. - Unser Mitglied Bertil Oker aus Stuttgart verstarb Anfang dieses Jahres im Alter von 58 Jahren (6.4.1961-7.1.2020).

Kalenderblatt

Herbert Hultberg

Polistidningen 1942

wKe1, wTa1, sKh8, sTg8, sLf8, sSa4b4, sBc4d4d6g5g6g7

#4 (2+11)

Der vor 25 Jahren verstorbene schwedische Problemist Herbert Hultberg (27.1.1910-16.5.1995) komponierte weit über 2000 Probleme in allen Genres und war auch publizistisch sehr aktiv: In den 1940er Jahren erschien in Schackvärlden seine bedeutende Artikelserie über logische und strategische Probleme, 1951 erschien das zusammen mit Bror Larsson geschriebene Med fo pjäser. 69 eigene Miniaturen stellte er 1965 in seinen Miniatyrer i urval vor, dem vier Jahre später das bei Walther Jörgensen in Kopenhagen erschienene Strategi i miniatyrproblem folgte. Seine wohl nachhaltigste Aktion war 1947 die Gründung der Zeitschrift springaren, deren Herausgeber er bis 1961 blieb und die immer noch fortbesteht. Im hier wiedergegebenen Minimal mit gestaffelten Vorplänen ist die Rochadestellung nur Beiwerk (1.0-0-0? scheitert sowohl an Sa2+ als auch an Sd3+). Der Hauptplan besteht in dem Manöver Kf2 nebst Th1#, seine sofortige Durchführung scheitert aber noch an 1.- Sd3+! Diese Parade soll der Vorplan 1.Ke2?! ausschalten (1.- d3+ 2.Kf2), aber das erweist sich nach 1.- Sc3+ auch noch als verfrüht, daher wird mit 1.Kd2! ein weiterer Vorplan vorgeschaltet, der die Verstellung von c3 durch den schwarzen Bauern erzwingt, wonach 2.Ke2 d3+ 3.Kf2 zum Ziel führt.

Vor einem halben Jahrhundert verstarb Gabriel Leon-Martin (29.10.1883-31.5.1970), der eine wichtige Rolle in der Entwicklung des französischen Problemschachs seit den 1930er Jahren spielte. Erst im Alter von 40 Jahren kam er zur Schachkomposition, aber schon ein Jahr später wurde ihm die Leitung des Problemteils im vierteljährlich erscheinenden Bulletin des französischen Schachverbands angetragen. Da es damals in Frankreich noch keine Problemistenvereinigung gab, arbeitete er daran, die Voraussetzung für eine solche Gründung zu schaffen. Dazu weckte er in der Zeitschrift das allgemeine Interesse am Problemschach, insbesondere durch die Organisation von Lösungsturnieren und Anregung zur Komposition. Nach dem Krieg vertrat Leon-Martin Frankreich in der Problemkommission der FIDE und leitete verschiedene Schachspalten, zuletzt betreute er bis 1962 die Retro-Abteilung von Europe Echecs.

Karl Nießlbeck (30.4.1907-6.6.1970) war zunächst ein Münchner Partiespieler, der sich in seinen späteren Jahren immer stärker mit dem Problemschach beschäftigte und sich hauptsächlich dem Hilfs- und Selbstmatt widmete. Er nahm regelmäßig an den Zusammenkünften des Münchner Problemkreises teil.

Froim Simkowitsch

Schachmaty w SSSR 1939

wKd4, wLa4g3, wBe6, sKf8, sTb5, sLb7, sSb1e4

Remis (4+5)

Der russische Komponist Froim L. Markowitsch Simkowitsch (1896-5.5.1945) befasste sich ausgiebig mit Remis-Studien. Der auf diesem Gebiet wichtige Begriff der "Festung", die trotz materieller Unterlegenheit uneinnehmbar ist, geht auf ihn zurück. In seinem hier gezeigten Werk geht es mehr um ein dynamisches Gleichgewicht. Weiß hat einen Turm und eine Leichtfigur weniger und muss daher zur Erhaltung des Gleichgewichts anstreben, den schwarzen Turm zu gewinnen, ohne eine eigene Leichtfigur einzubüßen. 1.e7+ K:e7 2.Lh4+ Tg5 3.Lc2 S1d2 4.Ke3 (droht 5.L:g5+ S:g5 6.K:d2 mit Remisstellung) 4.- Kf6 5.Kf4 Lc6 (5.- Kg6 6.L:g5 =) 6.Ld3 mit positionellem Remis. Das Brett steht unter Hochspannung: der weiße Köning muss seine Läufer unterstützen, falls es zum Schlag auf g5 oder e4 kommt; der schwarze König muss den schwarzen Turm decken, solange der zweimal angegriffen ist; der wLh4 muss den schwarzen Turm gefesselt halten; wLc2/d3 muss den sSe4 im Auge behalten; der schwarze Läufer muss den Se4 decken; sSe2 muss den Se4 decken; und der sSe4 muss den Tg5 und den anderen schwarzen Springer decken, nur die weißfeldrigen Läufer können entlang der Diagonalen, auf denen sie wirken, ziehen.

Awenir Popandopulo

DSV-Turnier 1965

1. Preis

wKe2, wLa1g8, wSa2c3, wBa5b4b5g3g4h3, sKd4, sDb7, sTd7h6, sLb6, sSa6, sBc6e3e5g7

#6 (11+10)

Awenir Nikolajewitsch Popandopulo (1.5.1920-24.5.1988) wäre am 1. Mai 100 Jahre alt geworden. Die nach ihm benannte Batterie (auch Popandopulo-Mechanismus genannt) ist im Prinzip eine doppelte, nacheinander erfolgende Siers-Batterie. Dabei öffnet ein weißer Stein A eine Batterie, wonach der schwarze König zieht und ein weiterer Stein der gleichen Art A eine neue Batterie bildet, die anschließend auch noch feuert. Das Stammproblem zeigt vier thematische Varianten: 1.Lb3! [2.b:a6 nebst 3.Sb5+ Ke4 4.Sac3#]; 1.- c5 (verstellt den Lb6), daher feuert die erste Batterie 2.Sd1+ Ke4 3.Sf2+ e:f2 4.Sc3+ (zweite Batterie) Kd4 5.Sd1+ nebst 6.S:f2# (6.- L:f2??); 1.- Tf7 2.Sb1+ Ke4 3.Sd2+ e:d2 4.Sc3+ Kd4 5.Sb1+ nebst 6.S:d2# (6.- T:d2??); 1.- T:h3 2.Sd5+ Ke4 3.Sf6+ g:f6 4.Sc3+ Ke4 5.Sd5+ nebst 6.S:f6# (6.- T:f6??) und 1.- S:b4 2.Sa4+ Ke4 3.Sc5+ L:c5 4.Sc3+ Ke4 5.Sa4+ und 6.S:c5# (6.- S:c5??).

Nur 22 Jahre alt wurde der tschechische Komponist Emil Převorovský (20.5.1920-4.10.1942), dessen Aufgaben 1946 in einer kleinen Schrift mit dem Titel Památník Emila Převorovského von Miroslav Soukup veröffentlicht wurden.

Im Juni vor 100 Jahren wurden zwei brasilianische Komponisten geboren: Almiro Elias Zarur konnten wir 2009 beim WFCC-Treffen in Rio de Janeiro noch persönlich kennenlernen, wo er sein gerade erschienenes Buch Xadrez Imaginario präsentierte und signierte. Wir hoffen, dass er am 7. Juni seinen 100. Geburtstag bei guter Gesundheit feiern kann. Hector G. Zucal, dessen 100. Geburtstag auf den 23. Juni fällt, verstarb im April 2004.

Die englische Familie Wood lässt sich in der männlichen Linie über viele Generationen bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgen. Aber dann riss Mitte des 19. Jahrhunderts diese Kette, da für die Erbfolge "nur" eine Tochter verblieb. Diese heiratete John Winter - ebenfalls aus gutem Haus, denn er war Nachkömmling des Kommandanten eines Kriegsschiffes, das im Konflikt mit der spanischen Armada eine bedeutende Rolle gespielt hatte. Um die alten Traditionslinien aufrechtzuerhalten, ließ sich die Familie ein königliches Privileg ausstellen, das beide Namen zusammenführte, und so kommen wir zu den Winter-Woods, die über mehrere Generationen hinweg eine bedeutende Rolle im englischen Schachleben spielten. Zur Familie gehört der vor nunmehr 100 Jahren verstorbene Edward John Winter-Wood (1847-21.6.1920), der ab 1868 dem City of London Schachklub angehörte und auch ein eifriger und seinerzeit erfolgreicher Problemkomponist war. 1886 gab er die Chess Souvenirs heraus, eine Publikation, die über 100 seiner Probleme enthielt. Berühmter als unser heutiger Jubilar ist allerdings seine Schwester Edith Elina Helen Baird (auch als Mrs. W. J. Baird - mit den Initialen ihres Mannes! - bekannt).

Der Bamberger Rechtsanwalt Max Weiss, der vor 150 Jahren geboren wurde (11.5.1870-18.12.1943), war ein sehr produktiver Schachpublizist, der viele schnell und einfach zusammenzustellende Bücher verfasste, beispielsweise 200 preisgekrönte Schachaufgaben, 150 Schachaufgaben von Samuel Loyd in New York, das amüsante Einhundertundfünfzig exzentrische Schachaufgaben und mindestens zwanzig weitere Titel.

Als die holländische Schachzeitung Sissa (1847-1874) erstmals erschien, war auf der ersten Seite der Herausgeber genannt - ein gewisser "Gustavus". Wer sich dahinter verbarg, erfuhr ich erst kürzlich, als ich in Jeremy Gaiges Chess Personalia den vor 200 Jahren geborenen Willem Jan Louis Verbeek (25.5.1820-30.9.1888) entdeckte, dessen Pseudonym Gustavus Gaige lüftete.

Nachtrag zum Kalenderblatt aus Heft 300: Auf die Notiz zu Antonio Bottacchi im Dezemberheft erhielten wir einen Beitrag von Michael Lipton aus England. Er fand zunächst einige Details zur Publikation der beiden in Heft 300 gezeigten Diagramme. Die Pittsburgh Gazette Times beendete das Erscheinen ihrer Sonntagsbeilage vermutlich am 24.11.1918. Drei Einsendungen zum Densmore MT von Bottacchi (Einsendungen Nr. 106, 107 und 110) wurden am 17.11.1918 in der Schachspalte publiziert, die Aufgaben mit den Einsendungen Nr. 1-107 erschienen in den Spalten vom 2.6.-17.11.1918, doch der spätere Preisträger (A) war nicht dabei. Dieser Aufstellung zufolge scheinen die Einsendungen 108 und 109 wohl nicht in der PGT veröffentlicht worden zu sein!?

A) Antonio Bottacchi

Densmore MT 1918-1920

1. Preis

wKg1, wDe5, wTg6h1, wLe7f5, wSg3, wBh3, sKh4, sDd8, sTa4h8, sLg5, sSd1f6, sBa5e3

#2 (8+9)

Weiter beschäftigte sich Michael Lipton intensiv mit Bottacchis Preisträger, der zum besseren Vergleich mit den neuen Fassungen hier noch einmal abgedruckt sei (Diagramm (A, 1.Ld7! [2.D:g5#]; 1.- Sh7 2.Th6# ; 1.- Se4 2.Df4#; 1.- Lh6 2.Dh5#; 1.- Lf4 2.Tg4#, dazu 1.- Tg4/Sg4 2.h:g4# und 1.- Th5 2.Sf5#)). Schon in einem 1985 im British Chess Magazine erschienenen Artikel hatte er sich mit Bottacchis Problem befasst und eine ökonomischere Fassung gefunden, die er 1985 noch auf 14 Steine reduzieren konnte - doch er stellt fest, dass beide Fassungen damals "universally ignored" wurden und im Borges'schen Meer der verlorenen Schachprobleme untergingen.

B) Michael Lipton

Die Schwalbe 06/2020

wKd1, wDe6, wTb4g6, wLe7, wSe2g7, wBg2h3, sKh4, sDc4, sTd3h8, sLg5, sSf6, sBb5d2

#2 (9+8)

Der Clou der neuen Fassung B liegt in der fünften thematischen Verstellung (nach 1.- Le3) bei 17 Steinen (wie in A). Außerdem gibt es noch zwei Mattwechsel zwischen Satz und Lösung. Satz 1.- Se4 2.Dg4#, 1.- Le3 2.g3# (1.- T:h3 2.D:h3#); 1.De5! [2.D:g5#] 1.- Lf4/Se4/Lh6/Sh7/Le3 2.Tg4/Df4/Dh5/Th6/Dg3#, (1.- Td5(Tg3) 2.D(:)g3#).

C) Michael Lipton

Die Schwalbe 06/2020

Nach A. Bottacchi und
F.F.L. Alexander

wKa7, wDd5, wTc2e7, wLd6g4, wSb7, sKc8, sTc4h8, sLd7, sSe6, sBb5

#2 (7+6)

Fassung C beschränkt sich auf den von Bottacchi gezeigten Inhalt (ohne das Nebenspiel 1.- Tg4/Sg4 2.h:g4#) und zeigt den Task in größtmöglicher Ökonomie mit nur 13 Steinen: 1.Ld~{} auf e5-h2? Td8!; 1.Lb8! [2.D:d7#] 1.- Sc5/Lc6/Sf8/Le8 2.Dc6/Tc7/Te8/Dd8#, 1.- Td8 2.Sd6#. Der strategische Schlüssel öffnet d5-d7, entblockt d6 und ist gegenüber den Läufer-Abzügen in südöstlicher Richtung antikritisch. 1.Lb8 Lc6/Le8 2.Sd6+? Kd8 zeigt zusätzlich noch einen Mari.

Abschließend fragt Michael Lipton, welches die bessere Fassung ist und ob es vielleicht noch möglich ist, aus beiden Fassungen noch etwas Besseres zu machen.

(GüBü)


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