Heft 301, Februar 2020

Kalenderblatt

Fritz Loepert

Mate 1982

wKb7, wDh8, wLf3, wBc5d6g3g4g5, sKe5, sLh1, sBc6d4d7e4e6f7g6h6

#4 (9+10)

Vor 25 Jahren verstarb der etwas geheimnisvolle brasilianische Komponist Fritz Loepert (26.6.1922-8.1.1995), dessen Probleme nur durch sein 1982 im Selbstverlag erschienenes Buch Mate bekannt wurden, in dem er alle seine Probleme als Urdrucke präsentierte. Im April 1998 publizierte Klaus Funk einen Nachruf auf Loepert (Heft 170, S. 423), in dem er einige Aufgaben Loeperts korrigierte. Details über sein Leben sind nicht bekannt. In der hier wiedergegebenen Aufgabe sehen wir einen Damenrundlauf, bei dem alle vier Eckfelder betreten werden. 1.Da8! [2.S:d7+ Kd5 3.Da2#] 1.- e:f3 2.Da1 [3.De1#] h:g5 3.D:h1 K:f6 4.Dh8# oder 3.- d3 4.Da1# bzw. 3.- f2 4.S:d7#.

Karl Junker (21.4.1905-13.1.1995) erlernte das Schachspiel etwa 1917 und kam um 1923 zur Schachkomposition, in der er sich insbesondere den orthodoxen Drei- und Mehrzügern widmete. In seinen strategischen Kompositionen versuchte er, nach Möglichkeit Modellmatts zu realisieren. Junker, der vor seiner Lehrer-Laufbahn einige Jahre als Journalist gearbeitet hatte, war über viele Jahre hinweg immer wieder schachpublizistisch aktiv. 1959 war er für kurze Zeit Schriftleiter der Schwalbe, der er ein neues, abenteuerliches Aussehen und Format (DIN-A4) verpasste. Die drei so erschienenen Hefte - eines davon war ein Doppelheft - wurden von seinem Nachfolger Peter Kniest neu gesetzt und im damals üblichen Format nachgedruckt. 1962 überarbeitete Junker zusammen mit Rudolf Teschner Tarraschs Buch Das Schachspiel. Systematisches Lehrbuch für Anfänger und Geübte. Später schrieb er in Klaus Lindörfers Großem Schach-Lexikon den Problemteil. 1971 gab er eine Auswahl seiner eigenen Probleme heraus, der 1978 sogar eine zweite Auflage folgte. In den 1970er Jahren leitete Junker die Studienrubrik im Schach-Echo. Sein hier wiedergegebener 6-Züger reizt mit einer einfachen Stellung zum Lösen, erweist sich dann aber als vertracktes Tempostück. Kraemer/Zepler sagten diesem Problem in ihrem Buch Problemschach im 20. Jahrhundert ein langes Leben voraus.

Karl Junker

Deutsche Schachzeitung
1953

wKh4, wLc6f2, wSe1e4, wBe3, sKh1, sDd4, sBh2h7

#6 (7+4)

Um die schreckliche weiße Batterie zu neutralisieren, muss die schwarze Dame den wSe4 in der Fesselung halten. Der weiße König kann sie nicht sofort verlassen, denn nach 1.Kh3? Dd7+ oder 1.Kh5? Dd5+ durchkreuzt die schwarze Siegfried-Dame weiße Ambitionen. Wäre Schwarz am Zuge, dann gäbe es ein Matt in drei Zügen: 1.- Dc4/Db4 2.Ld5 Dd4 3.Kh3 oder 1.- Da4 2.Kg5 nebst matt. Weiß muss daher ein Tempo verlieren. Da sofort 1.La8? an Dd8+ 2.Sf6+ D:a8 scheitert, muss man die Zugpflicht mit 1.Lb7! Da4 (1.- Dc4 2.Ld5 Db4 3.Kh3) 2.La8! Dd4 3.Lc6! auf Schwarz abwälzen. Jetzt folgt 4.- Dd4/Db4 5.Kh3 bzw. 4.- Da4 5.Kg5 mit gefahrloser Entfesselung der Batterie. Die Aufgabe ist in beiden Auf lagen der Junker-Sammlung mit dem Erscheinungsjahr 1952 angegeben, Kraemer/Zepler nennen 1954. Beides stimmt nicht, denn tatsächlich ist das Stück unter der Urdruck-Nummer 356 im April 1953 in der DSZ erschienen.

Cornelis (Cor) Goldschmeding (7.7.1927-5.2.1995) publizierte sein erstes Schachproblem im Alter von 13 Jahren, und er entwickelte sich schnell zu einem der führenden Zweizügerkomponisten. Er war Hauptorganisator des von den Niederlanden ausgerichteten WCCT-Vorgängers "2. Internationaler Mannschaftskampf für Schachkompositionen" und des Arnhemer PCCC-Treffens 1981. Daneben engagierte er sich in der PCCC, deren Vizepräsident und Leiter der Codex-Subkommission er lange war.

Der finnische Problemist Aleksis Rikhard Rurik Rautanen (7.3.1891-2.2.1970) komponierte eine Reihe von Studien und um die 100 Probleme im böhmischen Stil. Rautanen, der beruflich ein Gefängnis leitete, war Mitte der 1920er Jahre für einige Zeit Schriftleiter der Zeitschrift Suomen Shakki und veröffentlichte 1929 unter dem Titel Shakkiproblemaa eine Schrift mit 30 eigenen Kompositionen, die in finnischer Sprache und auf Esperanto erschien.

Der Belgier Albert Servais (12.4.1893-13.2.1970) - eine französische Zeitschrift nannte ihn den "französischsten belgischen Problemisten" - leitete von 1939 bis 1949 den Problemteil der belgischen Fernschachzeitung und von 1945 bis 1949 zusätzlich die des L'Echiquier belge. Etwa 1000 Probleme gehen auf ihn zurück, insbesondere befasste er sich mit Zweizügern. In meiner Bibliothek befinden sich einige von ihm selbst liebevoll zusammengestellte Hefte mit eigenen Problemen, die er seinerzeit an Hermann Albrecht für dessen Zweizügersammlung schickte.

Franz Palatz

Chemnitzer Tageblatt (v)
7. VI.1925

wKc6, wDb6, wTc2f5, wSf7, wBe2f2g4, sKe4, sTd1, sLg7, sSf8h4, sBa5a6b5f4h6

#3 (8+10)

Franz Ferdinand Ludwig Palatz (18.7.1896-1945) war einer der großen Problem-Theoretiker aus der Zeit vor dem 2. Weltkrieg. 1929 erschien in A. C. Whites Christmas-Serie sein zusammen mit Mongredien geschriebenes Buch Antiform, 1935 kamen die Miniatures stratégiques heraus, eine Zusammenstellung von 200 Miniaturen. Von seinen über 500 Kompositionen war der überwiegende Teil Zwei- und Mehrzüger, doch er befasste sich auch intensiv mit dem Märchenschach, insbesondere mit dem damals noch dazugerechneten Hilfsmatt. Ausgewählt ist hier ein Dreizüger aus Eduard Birgfelds berühmter Schachecke im Chemnitzer Tageblatt, die Birgfeld kommentierte als eine angenehm luftige Stellung, der man nicht ohne weiteres ihren Schnittpunktcharakter ansieht; es ist ja auch ein gar vornehmer Nowotny, wo nicht wie beim gemeinen Nowotny die Doppeldrohung nach Besetzung des Schnittpunktes durch den weißen Sperrstein den Ausschlag gibt, - diese ist hier nicht vorhanden! - sondern die Fluchtfeldverbauung durch Schwarz selbst. Ein kritischer Zug leitet das Manöver ein: 1.Tc3 [2.Te3/Tf3] L:c3 2.Dd4+ (eindrucksvolle Kombination mit elegantem Damenopfer) T:d4/L:d4/K:d4 3.Te5/Sd6/T:f4#, 1.- Td3 2.f3+ S:f3/T:f3 3.e:d3/Sd6# 1.Tcc5? scheitert an Sf3!, 1.Db7? an Td5!

James Grenfell Mauldon

The Problemist 1973

1. Preis

wKc2, wTa1h1, wLa4b2, wBa3b3d2d3e4g2g3g4, sKa2, sTe3, sLe1f1f3, sBa7c7d7e2f2f7

Zeige, dass die(13+11)
wTT den Platz getauscht
haben!

Der englische Mathematiker James Grenfell Mauldon (9.2.1920-21.5.2002) musste sein Studium wegen des 2. Weltkriegs unterbrechen und wurde in Nordafrika Panzerkommandant im Umfeld des Feldmarschalls Montgomery, bevor er seine akademische Karriere in Oxford und in den USA begann. Seit wann er sich mit Schachproblemen befasste, ist mir nicht bekannt; in den ersten in der PDB enthaltenen Kompositionen aus der Mitte der 1960er Jahre zeigt er meist Retros. So auch in der hier gezeigten späteren Aufgabe: Die letzten Züge waren 1.Td1 Ka1+ 2.Lc1 und jetzt kann der schwarze König erst einmal zwischen a1 und a2 pendeln, während Weiß den La4 und seinen König wegführt sowie den Th1 nach c2 spielt. Dann geht es rückwärts weiter mit Kb1 Ta2 Kc2+ b2, was dem sK die Flucht über b3 in die Freiheit ermöglicht, den wTa2 aber nicht mehr aus dem Eck herauslässt. Den Nachweis, dass wirklich ein Turm-Turm-Platzwechsel stattgefunden hat, der andere Turm also nicht durch Umwandlung entstanden sein kann, überlasse ich den Lesern.

Über den vor 100 Jahren geborenen Gerhard Wolfgang Jensch (27.1.1920-26.10.1990) gibt es in diesem Heft einen separaten Artikel von Hemmo Axt.

Der französische Märchenschach-Vorkämpfer Joseph Boyer (1895-28.8.1961) schrieb die einschlägigen Bücher Le jeu d'échecs non orthodoxe (1951), Nouveaux jeux d'échecs non-orthodoxes (1954) und Nouveaux jeux d'échecs intéressants (1956), in denen er viele Märchenschacharten präsentierte. Er wäre jetzt 125 Jahre alt geworden.

Zum 50. Todestag des amerikanischen "Grand Old Man of Chess" Hermann Helms (5.1.1870-6.1.1963) gab es im Februar 2013 (Heft 259) schon eine Kalenderblattnotiz. Jetzt ist an seinen 150. Geburtstag zu erinnern.

Henri Rinck

Schackvärlden 1940

1. Preis

wKh8, wTd3e8, wLe6, sKc7, sDe1, sLf4

Gewinn (4+3)

In Lyon geboren wurde Henri Rinck (10.1.1870-17.2.1952), der zu den größten Endspieltheoretikern und Studienkomponisten gehört und der ein Riesenwerk hinterlassen hat. Der erfolgreiche Ingenieur entdeckte 1897 einen Raffinationsprozess für Pflanzenöle, den er als freier Unternehmer in einer eigenen Firma in Spanien vermarktete. Neben der damit verbundenen zeitraubenden Arbeit fand er ab 1902 noch die Zeit für umfangreiche systematische Studienkomposition. Zur Korrektheitsprüfung seiner Werke baute er ein weltweites Netz von Experten auf, was zu einer immensen Korrespondenz führte. Seine Aufgaben erschienen in einem Sammelband, der insgesamt 5 Auf lagen erlebte und dabei immer weiter anschwoll: 1909 erschien die Erstauflage unter dem Titel 150 fins de partie, der 1913 eine Zweitauflage folgte. Bei der dritten, 1919 erschienenen Auf lage gab es schon 300 fins de partie, 1927 war er bei 700 Kompositionen angelangt. Buchstäblich am Ende seines Lebens erschien die finale Sammlung mit 1414 fins de partie, deren Erstdruck er 6 Tage vor seinem Tod in Händen hielt und der ihm wunschgemäß mit ins Grab gegeben wurde. Als Todestag wird in der Literatur meist der 26.2.1952 angegeben, in Wikipedia wird aber unter Hinweis auf das amtliche Sterbedokument der 17. Februar 1952 genannt (https://en.wikipedia.org/wiki/Henri_Rinck). - Eine phantastische Konstruktionsleistung zeigt Rincks hier wiedergegebene Miniatur: 1.Td7+ Kb6 2.Tb7+ Kc5 3.Tb5+ Kd4 4.Td5+ Kc3 5.Tc8+! (5.Td3+? K:d3 6.Lf5+ Kd2) 5.- Kb4 6.Tc4+ Ka3 7.Td3+ Kb2 8.Tb3+! K:b3 9.Te4+ und Weiß gewinnt.

Der vor 175 Jahren verstorbene H. Mendes da Costa (1845-2.8.1923) zählte Anfang des 20. Jahrhunderts zu den bekannteren jüdischen Komponisten in Amsterdam. Seine seit etwa 1890 komponierten Probleme erschienenen in Tageszeitungen und in der Tijdschrift van de (K)NSB, wo er schon 1892 einen 1. Preis erringen konnte. Bemerkenswert war dies insbesondere wegen seiner Schwerbehinderung, denn er war taubstumm und, nach anderer Quelle, auch fast blind.

Runde Gedenktage für Philipp Stamma anzugeben ist eine Art von Glücksspiel, denn es kursieren die verschiedensten Jahreszahlen für Geburt und Tod des aus Syrien stammenden Schachspielers, der seinen Lebensunterhalt in Europa als Schachspieler und als Übersetzer orientalischer Sprachen bestritt. Neben der schlichten Auskunft "Lebensdaten unbekannt" kursieren "um 1700", 1705 und 1715 als Geburtsjahre und 1755, 1770 (das wäre vor 250 Jahren) und sogar 1808 als Todesjahr. John Roycroft berichtete 2004 im British Chess Magazine (S. 547f.) über die kürzliche Entdeckung von Stammas Testament im britischen Nationalarchiv (mit einem Faksimile des Testaments). Das Testament wurde am 28. August 1755 eröffnet, was darauf schließen lässt, dass Stamma ungefähr im Juni oder Juli 1755 verstarb. Er war der Autor eines der bekanntesten Schachbücher jener Zeit, des Essai sur le jeu des échecs, das in zahlreichen Ausgaben und Übersetzungen weite Verbreitung fand. Die 1737 in Paris erschienene Erstausgabe enthielt hundert Schachkompositionen, die teilweise der älteren Literatur entnommen waren. In ihnen musste meist eine starke Drohung gegen den weißen König durch Schachgebote und unter Opfern abgewehrt werden, um zum Matt zu kommen.

Alessandro Salvio

Il Puttino 1634

wKb8, wTc1, wBb7, sKd8, sTa2

Weiß gewinnt (3+2)

Und jetzt ein noch tieferer Blick ins Dunkel der Schachgeschichte. Vor 450 Jahren, um 1570, wurde Alessandro Salvio geboren, der um 1600 als stärkster Schachspieler Italiens galt. Sein Trattato dell'Inventione et Arte Liberale del Gioco Degli Scacci erschien 1604 in Neapel, wo Salvio auch eine Schachakademie gegründet hatte. 1634 folgte mit Il Puttino noch eine Biographie über Leonardo da Cutri, den Sieger des allerersten internationalen Schachwettkamps (siehe dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Giovanni_Leonardo_da_Cutri), in der auch die nebenstehende Aufgabe gezeigt wird, heutzutage ein elementares Endspiel, aber vor fast 400 Jahren sicher ganz neu: 1.Tc4 mit der Drohung 2.Td4+ und Brückenbau. Auf 1.- Td2 folgt 2.Ta4, ebenfalls mit Brückenbau.

(GüBü)


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