Heft 293, Oktober 2018

Todesfälle

In den letzten Monaten sind eine Reihe bekannter Problemisten von uns gegangen. Der lettische Komponist Imants Dulbergs verstarb schon im April (6.2.1936-14.4.2018), Anfang Mai folgte Wadim Winokurow aus Russland (30.9.1953-7.5.2018). Stelian Lamba (3.9.1936-13.6.2018) war der Herausgeber der rumänischen Zeitschrift Euxinus pontus. Bekannter war sein Landsmann Virgil Nestorescu (8.2.1929-21.6.2018), der Rumänien von 1972 bis 1994 als Delegierter bei der PCCC vertrat. Er war ein vielseitiger Komponist, wurde aber in erster Linie als Studienspezialist wahrgenommen. 2001 wurde ihm der Kompositions-Großmeistertitel verliehen. Der ungarische Problemist László Ányos (25.6.1932-23.6.2018) komponierte viele Hilfsmatts. Mit gleich drei Todesfällen hat es unsere belgischen Freunde besonders schlimm erwischt: Ignace Vandecasteele (26.10.1926-31.5.2018) war einer der erfolgreichsten flämischen Studienkomponisten. Seine Stärken waren Studien mit wenigen Figuren, Domination, systematische Bewegung und Matt. Zusammen mit dem jetzt ebenfalls verstorbenen Roger Missiaen (24.3.1925-19.6.2018) und mit Julien Vandiest (1919-2011) veröffentlichte er 1998 den Band Flemish Miniatures. 123 Chess Endgame Studies. Kurz vor Redaktionsschluss erreichte uns noch die Meldung vom Tod Ignaas Vandemeulebrouckes (17.4.1934-25.8.2018). Er war viele Jahre belgischer PCCC-Delegierter und Sprecher der Qualifikations-Subkommission und vertrat sein Land mit großem Einsatz und viel Humor. Viele Jahre leitete er die Problemsparte des L'échiquier belge und 1983 publizierte er eine kleine Schrift über das Werk Auguste d'Orvilles.

Kalenderblatt

Vor einigen Jahren (Heft 256, August 2012) erschien eine Kalenderblatt-Notiz zum 150. Geburtstag des bedeutenden böhmischen Komponisten Jan Kotrč (21.8.1862-17.10.1943). Jetzt ist an seinen 75. Todestag zu erinnern.

Paul Leibovici

Thèmes 64 1960

1. Preis

wKe8, wSc6g6, wBb2h2, sKe1, sBb4d2f2h4

h#4, 2.1.1... (5+5)

Vor 50 Jahren verstarb der rumänische Komponist Paul Leibovici (9.11.1907-8.10.1968), der in verschiedenen Genres komponierte, darunter viel Hilfsmatts. Hier eine symmetrische Stellung mit asymmetrischer Lösung: 1.Kd1 Sge5 2.Kc2 Sc4 3.Kb3 Sd4+ 4.Ka4 b3# und 1.Ke2 Sd8 2.Kf3 Sf7 3.Kg4 h3+ 4.Kh5 Sf4#. Erstaunlich, dass die umwandlungsbereiten schwarzen Bauern nicht am Mattbild beteiligt sind.

Jan Knöppel

Stella Polaris 1975

1. Preis

wKc4, wLg3, wSc7, wBg5h3h4h5h6, sKf5, sDf2, sTe8, sLd4, sBc5e3e4

#1 vor 2 Zügen
VRZ, Typ Proca (8+7)

Vor 100 Jahren wurde Jan Knöppel (23.9.1918-15.7.1995) geboren. Er redigierte zeitweise die schwedischen Zeitschriften Springaren und Stella Polaris. 1955 gab er eine Broschüre mit einer Auswahl seiner Probleme heraus. Sein Haupt-Kompositionsgebiet war der Zweizüger, doch daneben widmete er sich auch anderen Sparten. Da es leicht verständlich ist, sei hier eines seiner Retros wiedergegeben: Im Verteidigungsrückzüger wird rückwärts (hier 2 Züge) gespielt bis eine Stellung entstanden ist, von der aus die Vorwärtsforderung (hier #1) erfüllt werden kann. Nach der Rücknahme 1.Kd3-c4 (schlagfrei, da die weißen Bauern alle fehlenden schwarzen Steine geschlagen haben) muss der sBe4 das Schachgebot aufheben. Geschieht dies durch Rücknahme des Zugs 1.- e5-e4+, dann nimmt Weiß 2.Se6-c7 zurück und spielt statt dessen vorwärts 1.Se6-g7#. Entschlägt dagegen der von d5 kommende schwarze Bauer einen weißen Stein auf e4, dann hat Schwarz beim Typ Proca die Wahl, welcher Stein entschlagen wird. Damit ergeben sich die Varianten 1.- d5:De4 2.De7-e4 & vor: 1.Dh7#; 1.- d5:Te4 2.Sb5-c7 & vor: 1.Sd6#; 1.- d5:Le4 2.Lf3-e4+ & vor: 1.Lg4# und 1.- d5:Se4 2.Lh2-g3 (der einzige Tempozug) & vor: 1.Sd6#. Und warum entschlägt der sBd5 keinen weißen Bauern? Weil die Stellung dann illegal wäre.

Der vor 125 Jahren verstorbene Jacob Keim (1865-25.10.1893) wurde nur 28 Jahre alt, hatte bis dahin aber schon eine beachtliche vielseitige Karriere durchlaufen: Er war seit längerer Zeit Direktor einer Rückversicherungsgesellschaft, Begründer der Südwestdeutschen Schachzeitung, war Preisträger im Kompositionsturnier des British Chess Magazine und ein auf internationaler und lokaler Ebene erfolgreicher Partiespieler.

Kohtz Grab
Ein doppelter Jubilar ist in diesem Jahr Johannes Kohtz, denn im Juli wäre er 175 Jahre alt geworden und Anfang Oktober jährt sich sein Todestag zum 100. Mal (18.7.1843-5.10.1918), woran in einem separaten Artikel in diesem Heft erinnert wird. Das Kohtz'sche Grab befindet sich im Urnenhain Dresden-Tolkewitz, ein Foto des efeuumrankten Grabsteins zeigte ich in einem Vortrag beim Schwalbe-Treffen in Traunstein. Wie wir jetzt vom Dresdner Schachfreund Peter Hofmann erfuhren, war der Grabstein vor ca. zwei Jahren verschwunden - aber nur aus konservatorischen Gründen. Mittlerweile ist er wieder an seinen Platz zurückgekehrt, und Herr Hofmann hat das Grab mit einem Schachbrett und einer Rose darauf geschmückt.

1843 war nicht nur das Geburtsjahr von Kohtz und Kockelkorn, sondern auch von Hieronymus Fischer und Johannes Seeberger. Der Gymnasialturnlehrer Hieronymus Fischer (30.9.1843-8.1.1927) war Deutschlands erster großer Selbstmattkomponist. Eine Auswahl seiner Werke hat er in dem 1904 erschienenen Buch Humor im Schach zusammengefasst.

Johannes Seeberger

Ill. Fam.-Journal 1860

wKg2, wTa1, wLc1, wSe3, wBd4f2g6h4, sKf4, sLd5, sSc5, sBe4g7h6

#4 (8+6)

Wie Jacob Keim hatte auch der österreichische Komponist Johannes Seeberger ein kurzes Leben (17.9.1843-11.11.1879), das er aber recht erfolgreich gestaltete. Nach seinem Studium, u. a. an der Bergakademie in Leoben, wurde er Direktor eines Eisenwerks. Wie die gleich alten Kohtz und Kockelkorn begann auch Seeberger um 1860 mit der Problemkomposition und schuf gleich zu Anfang die später nach ihm benannte Kombination (s. Diagr.): 1.Ta8! Die Drohung 2.Tf8+ Lf7 3.T:f7# zwingt den schwarzen Läufer zum kritischen Zug 1.- L:a8, und nach 2.La3 muss Schwarz zur Abwehr der Drohung 3.L:c5 nebst 4.Ld6# mit 2.- Sb7 das Feld d6 decken und dabei den schwarzen Läufer einsperren. Diese Einschränkung nutzt Weiß, denn nach 3.Le7 steht Schwarz jetzt im Zugzwang. 3.- h5 4.Lg5# oder 3.- S~ 4.Ld6#.

Vor 200 Jahren wurde Tassilo von Heydebrand und der Lasa (17.10.1818-27.7.1899) geboren. Er spielte in der Mitte des 19. Jahrhunderts eine bedeutende Rolle für die Entwicklung des deutschen Schachlebens und gehörte zu den Berliner Plejaden, der Keimzelle der Berliner Schachaktivitäten. Gemeinsam mit seinem Freund Bilguer arbeitete er an einem Handbuch des Schachspiels, das er nach Bilguers frühem Tod herausgab. Es wurde das berühmteste Schachlehrbuch des 19. Jahrhunderts und erlebte bis 1922 acht Auflagen. Von der Lasa beendete schon bald seine durchaus beachtliche Karriere als Partiespieler und wandte sich der schachgeschichtlichen Forschung zu. Der Wechsel war auch beruflich bedingt. Von der Lasa, der einer alten schlesischen Adelsfamilie entstammte, stand im diplomatischen Dienst und vertrat das Deutsche Reich unter anderem in Kopenhagen und in Brasilien, zeitweise aber auch in Weimar und in Stuttgart - man sieht, dass es damals noch keinen einheitlichen deutschen Staat gab. Die Auslandsaufenthalte nutzte er, um in Bibliotheken nach alten Schachmanuskripten zu forschen. In den letzten Lebensjahren stand von der Lasa in brieflichem Kontakt mit Johannes Kohtz, der sich damals zunehmend für schachhistorische Forschungen interessierte.

(GüBü)


Impressum  Datenschutz
Anschriften: siehe Vorstand
Internetauftritt: Gerd Wilts