Heft 312-1, Dezember 2021

Kalenderblatt

Zunächst zwei Korrekturen zum Kalenderblatt in Heft 308. Bernd Schwarzkopf, dessen gründliche Arbeit am Inhaltsverzeichnis über viele Jahre hinweg gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann, wies mich darauf hin, dass nach seinen Unterlagen Richard Becker drei Jahre jünger ist (62 statt 65) und das Leben von Friedrich Chlubna einen Tag länger währte (\dag 6.1.2005) als angegeben. In beiden Fällen scheint Bernd Recht zu haben; die Quellen, auf die ich mich stützte, wurden entsprechend korrigiert.

Leopold Jüptner (16.6.1906-24.12.1971) übernahm Ende 1963 das Amt des Kassenwarts der Schwalbe. Seine Kompositionstätigkeit beschränkte sich auf die Zeit vor dem 2. Weltkrieg, in den 1930er Jahren leitete er bis 1941 auch eine Schachspalte im Grünberger Wochenblatt, einer im schlesischen Grünberg damals täglich erscheinenden Zeitung. Er war Richter, zunächst in der DDR, von wo aus er Ende 1959 in die Bundesrepublik nach Hamm übersiedelte. Dort lernte er bald seinen Berufskollegen Speckmann kennen, den er regelmäßig besuchte. Vor einem halben Jahrhundert erlag er am Heiligabend einem Herzinfarkt.

Bruno Oswald Sommer

Die Schwalbe 1952

1. Preis

wKd1, wTd4, wLh3, wBc2c3e2f2h2, sKc8, sTd8, sLe1, sSg2g7, sBa7b2b5b7c7e7f7g6

#1 vor 2 (8+13)

Der Berliner Lehrer Bruno Oswald Sommer (20.3.1881-19.11.1971) war ein ausgezeichneter Theoretiker und Praktiker der neudeutschen Schule, der sich auch gern ins Gebiet der Retroprobleme wagte - hier ein Beispiel: Zurück 1.Tg4-d4 0-0-0+ 2.Th4-g4, dann vorwärts 1.Th8#. Die acht fehlenden weißen Steine wurden von den schwarzen Bauern geschlagen (Bb5 kam von d7, b2 von g7, g6 von h7), die drei fehlenden schwarzen von den weißen Bauern a2, b2 und d2. Aber warum nimmt Schwarz die Rochade zurück? Er muss es, weil er auf g4 mangels eines Schlagobjekts nicht mehr entschlagen kann, jeder Turmzug im Rückwärtsspiel würde also ein illegales Schachgebot bedeuten.

Johannes Jacob Burbach

De Probleemvriend 1943

Preis

wKg2, wTe1, wLe6h6, wSc1, wBf2g4, sKf4, sTb7d7, sLa6b4, sBb2c3d3g5

#4 (7+9)

Der vor einem Jahrhundert geborene Problemkomponist Johannes Jacob Burbach (5.11.1921-15.11.2003) war Spross einer schachbegeisterten niederländischen Familie: seine Eltern führten ihn schon früh in das Spiel ein und sein älterer Bruder brachte ihn mit dem Problemschach in Berührung, dem er sich über 65 Jahre lang widmete. Über diesen langen Zeitraum hinweg komponierte Burbach insgesamt 1315 Probleme, über die er genau Buch führte. Nach orthodoxen Anfängen wandte er sich immer mehr dem Märchenschach zu; die Märchenart Exklusiv-Schach wurde von ihm entwickelt. Gerard Bouma (1923-2017), der jahrzehntelang mit Burbach befreundet war, verfasste 2007 einen schachlichen Nachruf Burbachs, der im Netz zu finden ist (http://www.probleemblad.nl/images/Documenten/Burbach-A5.pdf) und eine Auswahl seiner Probleme enthält. Hier ein früher Vierzüger: Die starke Verteidigung (Td4), die Ablenkung (Ld6) und die schwächere Verteidigung Tb4 sind in diesem Wechselform-Dresdner auf drei Steine verteilt, wonach mit 3.Lc4 ein Nowotny folgt. Lösung: 1.f3?\ [2.Te4#], aber 1.- Td4!. 1.Lg7! [2.Le5#] 1.- Ld6 2.f3 [3.Te4#] 2.- Tb4 3.Lc4 T:c4 4.S:d3# oder 3.- L:c4 4.Te4#.

Alexander W. Galizki

Magyar Sakk\'ujság 1912

wKe3, wTc6, wSa7, wBc2, sKd5

#8 (4+1)

Der russische Landarzt Alexander Wassiljewitsch Galizki (5.3.1863-18.11.1921) begann 1886, Schachprobleme zu komponieren und entwickelte sich zu einem wichtigen und mit mehr als 1900 veröffentlichten Aufgaben auch sehr produktiven Komponisten. Sein bevorzugt bearbeitetes Gebiet waren Drei- und Mehrzüger. Seine Auffassung von der künstlerischen Qualität eines Problems war richtungweisend: "Erste Voraussetzung für eine Aufgabe ist die Existenz einer scharfsinnigen Idee, die entweder aus dem Mattbild oder aus den Zügen der weißen und schwarzen Figuren bestehen kann. Wie für Kunstwerke ist für Aufgaben das Vorhandensein einer guten Idee unzureichend, ein reichhaltiger Inhalt ist notwendig, um diesen Inhalt in einer künstlerischen Form zu verkörpern, das heißt, er sollte im hinreichenden Maße klar und prägnant ausgedrückt werden, damit die der Aufgabe zugrundeliegende Idee in ihr eine dominierende Bedeutung erhält." Häufig hat Galizki solche Inhalte in prägnanter Form in Miniaturen dargestellt, so auch in dem hier gezeigten Fünfsteiner: Nach dem Give-and-Take-Schlüssel 1.Kf4 pendelt der schwarze König auf der d-Linie, während der weiße Springer fast ums ganze Brett tanzt, dabei aber immer wieder seinen Turm decken muss: 1.- Kd4 2.Sc8 Kd5 3.Se7+ Kd4 4.Sg6 Kd5 5.Se5 Kd4 6.Sd3 Kd5 7.Sb4+ Kd4 8.c3#.

Der vor etwa vier Jahren verstorbene niederländische Komponist Johannes Cornelis Roosendaal veröffentlichte in den 1980er und 1990er Jahren im Selbstverlag eine Reihe von Broschüren, in denen er sich systematisch mit formalen Themen wie Springerrad, Albino, Pickaninny, Stern- und Kreuzflucht auseinandersetzte. Am 23. November wäre er 100 Jahre alt geworden.

Alexander Hildebrand

1. WCCT 1975

5. Platz

wKd8, wTb5, wLc8, wBa6, sKa7, sLh7, sSh6, sBf3h2

Gewinn (4+5)

Alexander Hildebrand (24.12.1921-3.8.2005) war ein Pendler zwischen Schweden und Estland. Er vertrat beide Länder als Delegierter der PCCC, und so manches Heft von Springaren wurde von Tallinn aus in die Welt geschickt. Mit 10 Jahren erlernte er das Schachspiel, als 16järiger begann er, sich für die Schachkomposition zu interessieren; insgesamt umfasst sein Schaffen etwa 350 Kompositionen, darunter 150 Studien, bei denen ihm thematisch das positionelle Remis besonders am Herzen lag. Von 1956 bis 1961 war er als Studienredakteur der Tidskrift för Schack tätig, später, von 1966 bis 1974, leitete er die Studienabteilung der Zeitschrift Stella Polaris. Er wirkte auch an einer Reihe von Büchern als Autor bzw. Co-Autor mit, hier eine Auswahl: 1982 publizierte er unter dem Titel Studier af Axel Ericsson eine Auswahl von Ericssons Studien. 1999 erschien, assistiert von Friedrich Chlubna, in dessen Verlag das Werk auch erschien, der Blick auf das kompositorische Schaffen des großen estnischen Spielers Paul Keres (Paul Keres - Der Komponist). Gemeinsam mit Anders Uddgren erschienen 1994 und 1996 zwei Bände mit schwedischen Miniaturen, und in seinem 1998 erschienenen Selbstmatt-Bändchen Harakiri widmete er sich seiner zweiten Vorliebe, dem Selbstmatt. Hier aber sein erfolgreicher Beitrag zum 1. WCCT: 1.Th5? ist aussichtlos, denn nach 1.- f2 ist kein Gewinn für Weiß in Sicht. Also 1.Tb7+ Ka8 2.T:h7 h1D 3.Lb7+ Kb8 4.a7+ K:a7 5.L:f3+ Sf7+! 6.T:f7+ Kb8. Jetzt wäre Schwarz nach L:h1 patt, aber Weiß kann seinen Turm noch besser stellen: 7.Tb7+ Ka8 8.Tb3+ Ka7 9.L:h1 1-0.

Josef Vančura

28. \v{r}\'{\i}jen 1924

wKc4, wTa8, wBa6, sKg7, sTf6

Schwarz kann Remis halten (3+2)

Es gibt zwei tschechische Komponisten mit dem Namen Josef Vančura, Vater und Sohn - Stoff für mancherlei Verwechselungen. Der Vater, geboren 21.2.1870 und am 26.5.1930 verstorben, war Professor für römisches Recht und gilt als Begründer der Papyrologie in Tschechien. Er spielte eine wichtige Rolle im tschechischen Kunst- und Wissenschaftsleben und war ein passionierter Schachspieler und Problemkomponist. Sein gleichnamiger Sohn, dessen Tod jetzt 100 Jahre zurückliegt, wurde nur 23 Jahre alt (18.8.1898-19.11.1921), seine Schachleidenschaft galt insbesondere den Studien. Berühmt wurde er für zwei Beiträge zur Endspieltheorie, darunter ein Endspiel K+T+B gegen K+T, das drei Jahre nach seinem Tod publiziert wurde (wohl mit ein Grund, weshalb es mehrfach dem damals noch lebenden Vater zugeschrieben wurde). Sie ging als "Vančura-Stellung" in die Endspieltheorie ein. Siegfried Hornecker ist in seiner Studienecke in ChessBase ausführlich auf diese Studie eingegangen (en.chessbase.com/post/study-of-the-month-2020-07), auch auf ihre seltsame Quelle. Sie bezieht sich auf den 28. Oktober 1918, dem Gründungstag der tschechoslowakischen Republik, und wurde als Name für eine nationalistische Prager Tageszeitung mit einer von F. J. Prokop geleiteten Schachecke hergenommen. Falls Weiß es mit 1.a7 versucht, muss er nach 1.- Ta6 2.Kb5 Ta1 3.Kb6 Tb1+ 4.Kc7 Tc1+ 5.Kd7 Ta1 erkennen, dass er nicht weiterkommt. Daher versucht er 1.Kb5 Tf5+ (Schwarz darf es dem weißen König nicht erlauben, seinen Bauern zu decken und den weißen Turm von seinen Deckungsarbeiten zu befreien.) 2.Kc6 Tf6+ 3.Kd5 Tf5+ 4.Ke6 Tf6+ 5.Ke5 (Jetzt sind dem Schwarzen zwar die Schachgebote ausgegangen, aber nach 5.- Tb6 6.Kd5 Tf6 7.Ta7+ Kg6 kommt er nicht weiter - also remis.

Vor 125 Jahren verstarb Andreas Alexandrowitsch Ascharin (24.7.1843-24.12.1896), dem in Heft 292 zum 175. Geburtstag schon eine Kalenderblatt-Notiz gewidmet war. Simon Semjenowitsch Lewman (9.11.1896-31.3.1942) wäre jetzt 125 Jahre alt geworden. Im April 2017 wurde schon an den 75. Todestag dieses russischen Komponisten erinnert, dessen Name eng mit einer weißen Linienkombination im Zweizüger verbunden ist.

Joseph E. Peckover

Problem 1959

1. Preis im Inf.-T. 1958/59

wKc8, wLh4, wBc7, sKe2, sTb6, sLa2

Remis (3+3)

In England geboren, gelangte Joseph Edmund Peckover (15.11.1896-16.4.1982) über Frankreich, die Schweiz und Kanada in den 1920er Jahren nach New York, wo er sesshaft wurde. Er war Porträtmaler, fand aber Zeit für seine vielseitigen weiteren Interessen. So gehörte er zu den führenden Cricket-Autoritäten in den Vereinigten Staaten und war auch Schachkomponist. Seine erste Studie entstand 1916 in einem britischen Lazarett in Kairo. Ab 1921 redigierte er die Schachspalten zweier Zeitungen. Er gilt als der erste Studienspezialist Amerikas und leistete viel für die Entwicklung der Schachstudie in den USA. Wie hart es war, hier Anerkennung zu finden, geht aus einer Anmerkung von Walter Korn hervor, der in seinem 1975 erschienenen American Chess Art - 250 Portraits of Endgame Study zu der hier wiedergegebenen Studie aus dem Jahr 1958/59 bemerkt: "wieder musste ein amerikanischer 1. Preis im Ausland gegen starke Konkurrenz gewonnen werden - und kaum einer nimmt es zu Hause wahr." Lösung: 1.Kd8! Td6+ (Es droht ständig c8D). 2.Ke7 Tc6 3.Kd7 Th6! (Nun wird 4.c8D durch Le6+ nebst L:c8 und T:h4 widerlegt.) 4.Lf6! Lb1! (Nach 4.- T:f6 kommt der Turm in den Wirkungsbereich des weißen Königs 5.c8D Le6+ 6.Ke7 L:c8 7.K:f6 remis.) 5.Ke6\ (5.c8D? verliert wegen 5.- Lf5+ 6.Kd8 L:c8 7.K:c8 T:f6 6.Lg5! Th8!) 5.- Th5! 6.Lg5 T:g5 scheitert an 7.c8D Lf5+ 8.Kf6 L:c8 9.K:g5 7.Ld8 Th5 8.Lg5! und Remis durch Zugwiederholung.

Ivan O. Kos

Schachmatni westnik 1886

wKh1, wTb4, wLf3g1, wBa7h2, sKa8, sLb7

s#8 (6+2)

Die zwischen 1858 und 1869 monatlich erschienene Zeitschrift Slovenski glasnik war das erste slowenische Magazin mit einer Schachspalte, die von Josip Ogrinec (1844-1879) und dem vor 175 Jahren geborenen Ivan O. Kos (1.12.1846-26.11.1907) betreut wurde. Kos komponierte überwiegend Direktmatts und Selbstmatts. Er war der erste, dem eine Darstellung des später populär gewordenen Kampfs Läufer gegen Läufer auf der langen Diagonale gelang: 1.Tb1? Ld5? 2.Le4 Lc6 3.Ld5 Lb7 4.Lc6 L:c6#, aber nach 1.- Le4! hat Weiß keinen Tempozug. Daher 1.Th4! 1.- Ld5/Lc6 2.Th7! Le4 3.Tc7 Ld5 4.Le4 Lc6 5.Ld5 Lb7 6.Tc1! Lc6 7.Tb1! Lb7 8.Lc6 L:c6#. Durch das weiträumige Turmmanöver verliert Weiß ein Tempo.<

Im April 2016, Heft 278, wurde des 100. Geburtstags des spanischen Schach-Enthusiasten Jose Tolosa y Carreras (20.11.1846-28.4.1916) gedacht. Er konnte es sich leisten, seinen Beruf als Mediziner zugunsten seiner schachlichen Aktivitäten zu vernachlässigen. 1892 veröffentlichte er in Paris sein Buch Traité analytique du problème d'échecs. Jetzt ist an seinen 175. Geburtstag zu erinnern.

(GüBü)


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