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Heft 261, Juni 2013

 


Artikel Seite
Aktuelle Meldungen 117
Ausschreibung Wolfgang Dittmann 80 Jubiläumsturnier 119
Hans Gruber: Zum 80. Geburtstag von Wolfgang Dittmann (14.6.1933) 121
Eberhard Schulze: Beendigung der Austauschregelungen 122
Hans Gruber: Dreizüger-Revue (3) 123
Stephen Rothwell: Alexander Seletzki - ein vergessener Meister der Endspielstudie 124
Nachtrag zum Entscheid im Jahresturnier 2011, Abteilung Zweizüger 129
Thomas Thannheiser: Kurze Homebase-Schlagschach-Ceriani-Frolkins 130
Entscheid im Informalturnier 2011, Abteilung Retro 131
Urdrucke 143
Lösungen der Urdrucke aus Heft 258, Dezember 2012 152
Bemerkungen und Berichtigungen 171

 

Alexander Seletzki - ein vergessener Meister der Endspielstudie

von Stephen Rothwell, Henstedt-Ulzburg

1. Biographische Fragmente

In der Literatur finden sich leider nur sehr spärliche biographische Informationen zu diesem sowjetrussischen Autor. Die Ausführungen in Sachmatnaja kompozicija v Gor'kom von Jewgeni Fomitschow 1) lassen allenfalls Bruchstücke einer Biographie erkennen: "A. Seletzki, der in Gorki lebte, war in den 30er Jahren einer der talentiertesten sowjetischen Studienkomponisten. Schachaufgaben waren sein Ausgangspunkt, und so veröffentlichte er zwischen 1930-1938 etwa 150 Studien, für die besten erhielt er erste Preise in renommierten Turnieren." (S. 75) "Nach Augenzeugenberichten war A. Seletzki ein begeisterungsfähiger Mensch. Er demonstrierte fortwährend seine Stellungen und bot sie zum Lösen an, deshalb scheint es logisch, dass Seletzki weit mehr baute als er letzten Endes veröffentlichte. Das weist auf die hohen Anforderungen an das eigene Schaffen hin, und es ist nicht überraschend, dass sich schnell ein großer Erfolg einstellte." (S. 16) Seletzkis schachbiographische Spur verliert sich im Jahre 1938. Seine genauen Lebensdaten ließen sich in keiner mir bekannten Quelle verifizieren.

2. Seletzkis Studien

In der Endgame Study Database 2010 von Harold van der Heijden sind insgesamt zwölf Studien Seletzkis dokumentiert 2). Die Besten von ihnen gehören zum Bestand der klassischen Meisterwerke der Studienliteratur. So fanden die Studien Nr. 8 und 9 aus diesem Artikel Aufnahme in das FIDE-Album 1914-1944/III, die Nr. 7, 8 und 9 sind ferner in den klassischen Sammlungen 1234 Modern End-Game Studies und 1357 End-Game Studies zu finden 3). Wie so häufig, wenn man den Bestand klassischer Endspielstudien durchstreift, finden sich auch einige inkorrekte Stücke, für die ich mich im Rahmen dieses Beitrags um Korrekturen bemüht habe.

1
Alexander Seletzki

Nidgegorodskaja
Kommuna 1930

Korrektur: Stephen
Rothwell, Urdruck

wKb4, wLg3, wSh1, sKg5, sSd1, sBa3c3

Remis (3+4)

Einen einfachen aber gefälligen Einstieg bietet die Nr. 1 mit klassischen Gabelmotiven. Den Freibauern a3 darf der weiße König erst auf a2 nehmen: 1.K:a3? c2 2.Sf2 c1D+, daher 1.Kb3! a2 2.K:a2 c2 3.Sf2 c1D 4.Lf4+! D:f4 [4.- K:f4 5.Sd3+] 5.Sh3+. In der Urfassung steht ein zusätzlicher sSh2 auf dem Brett, der m. E. nicht nur entbehrlich ist, sondern auch zur Unlösbarkeit dieser Studie führt, denn Schwarz gewinnt nach 1.Kb3 Sf1! 2.Le5 [2.Ld6 Sd2+ 3.Ka2 Sc4 4.L:a3 S:a3; 2.Sf2 S:g3 3.S:d1 a2 4.K:a2 c2 bzw. 3.Sd3 Se2 4.Sb4 Sc1+ 5.K:a3 Se3] 2.- a2 3.K:a2 c2 4.Lb2 Kf4 5.Kb3 Sfe3 6.La3 Kf3 7.Kb4 Kg2 8.Kc5 K:h1.

2
Alexander Seletzki

1938 64

Korrektur: Stephen
Rothwell, Urdruck

wKg6, wLb5, wSa1e7, sKc3, sSe3

Gewinn (4+2)

In der Nr. 2 kann Weiß seinen Sa1 nicht mehr retten, allerdings vermag er den sSe3 so in die Ecke zu drängen, dass dieser ebenfalls verloren geht: 1.Kg5! [1.La4? Kb2! 2.Sb3 Ka3 3.Sc5 Kb4] 1.- Kb2 2.Kf4 Sd1 [2.- Sg2+ 3.Kf3 Sh4+/Se1+ 4.Kg3/Kf2] 3.Sd5 K:a1 [3.- Sc3 4.S:c3 K:c3 5.La4 Kb2 6.Sc2; 3.- Sf2 4.Se3 K:a1 5.Lf1] 4.Le2 Sb2 [4.- Sf2 5.Sf6 Sh3+ 6.Kg4 Sg1 7.Lf1] 5.Sc3. Zur Korrektur der nebenlösigen Urfassung habe ich den wK von g5 nach g6 und den wSe8 nach e7 versetzt 4).

3
Alexander Seletzki

Schachmaty w SSSR 1932

wKe8, wLf1, wBf7, sKb6, sLh5, sSc8h7

Remis, 2 Lösungen (3+4)

Interessant ist die Analyse der eher unscheinbar wirkenden Nr. 3. Schwarz droht durch 1.- Sd6+ den wBf7 zu erobern, Weiß muss daher einen der schwarzen Springer angreifen. Fomitschow (a.a.O., S. 75/76) und die Endgame Study Database 2010 (Nr. 15.184) geben folgende Lösung an 5): 1.Ld3! [1.Kd8? Sa7! 2.Ke7 Sc6+ 3.Ke8 Sg5, nicht jedoch 1.- Sd6? 2.f8D! S:f8 3.Ke7] 1.- Sg5 [1.- Sd6+ 2.Ke7; 1.- Sf6+ 2.Kd8] 2.Kd8! [2.Kd7? Lg4+ 3.Ke8 Sd6+] 2.- S:f7+ 3.K:c8 Lg4+ 4.Kb8 Sd6 5.Lf1 Lf3 6.Lg2 L:g2 patt. Allerdings ist diese Variante nicht zugrein, denn 5.Lh7/Lg6/Lc2/Lb1 oder 5.Ka8 [z.B. 5.- Lf3+ 6.Kb8 Lb7 7.Le4] und 6.Lh3/Ld3 genügen ebenfalls zum Remis. Ich meine, dass Schwarz im zweiten Zug (statt 2.- S:f7+) am stärksten fortsetzt mit 2.- Kb7! mit der weiteren Folge 3.Le4+! [3.f8D? Se6+; 3.f8S? Sf7+ 4.Ke8 Se5+] 3.- Kb8 [3.- S:e4 4.f8D] 4.f8S! [4.f8D? Se6+] 4.- S:e4 [4.- Sf7+ 5.Kd7 (5.Ke8? Scd6+!) 5.- Lg4+ 6.Kc6] 5.Sd7+ Kb7 6.Sc5+ [6.Sf6? Lf3(Lg6)] 6.- S:c5 patt. Eine überraschende Springer-Umwandlung mit abschließendem Idealpatt. Nun müssen wir uns noch die dritte Angriffsmöglichkeit auf einen schwarzen Springer anschauen: 1.Kd7! Kb7 [1.- Sa7 2.Ld3 Lg4+ 3.Ke8 Sf6+ 4.Ke7; 1.- Lg4+ 2.Ke8 Sd6+ (2.- Sf6+ 3.Kd8) 3.Ke7] 2.Lg2+ [2.Ld3? Sf8+ 3.Ke8 Se6 4.Lc4 Sg5 5.Ld5+ Kc7 6.Kf8 Sd6] 2.- Kb8 3.Ld5! [3.Le4? Sf8+ 4.Ke8 Se6 5.Ld5 Sg5] 3.- Sb6+ 6) 4.Kd8 S:d5 5.f8D(T)! S:f8. Ein weiteres Patt mit Umwandlungswechsel bei Weiß. 1.Kd7 ist also eine zugreine und keinesfalls reizlose (Neben-)lösung dieser Studie, so dass der von mir ergänzte Zusatz "zwei Lösungen" unter dem Diagramm gerechtfertigt erscheint.

4
Alexander Seletzki

Schachmaty w SSSR 1932

Korrektur: Stephen
Rothwell, Urdruck

wKh2, wLg2, wSa5g7, sKg4, sSd6, sBd2

Remis (4+3)

In der Nr. 4 scheitert das Probespiel 1.Sc4? an 1.- S:c4! Nach der Ablenkung des sSd6 durch 1.Sf5! S:f5 [1.- K:f5 2.Lf3] scheitert 2.Sc4? an 2.- d1D! Daher muss durch einen zweizügigen Zwischenplan die störende Wirkungskraft des wLg2 beseitigt werden: 2.Lh3+ Kf4 [2.- Kg5(Kh5,Kh4) 3.Lg4(+); 2.- Kf3 3.Lg4+ oder 3.Sc4] 3.Lg4! K:g4 4.Sc4 d1D 5.Se3+ S:e3 patt. 1.Lh3+? scheitert nur an 1.- Kg5! 2.Se6+ Kh4 [2.Sf5 d1D], nicht jedoch an anderen Zügen des sK: 1.- Kh4? 2.Sf5+ S:f5 3.Lg4; 1.- Kf3? 2.Sf5 d1D 3.Lg4+ K:g4 4.Se3+ [2 S:f5 3.Sc4 d1D 4.Lg4+]; 1.- Kf4? 2.Se6+ Kf3 3.Sg5+ Kf4 4.Se6+. Die Logik der Urfassung von Seletzki [Kh2, Lg2, Sa3, Sa8; Kg4, Sd5, Bd2] ist etwas anders: Das Probespiel 1.Sc4? d1D! 2.Se3+ S:e3 würde ohne die Anwesenheit des wSa8/wLg2 ein Patt erzwingen. Also beseitigt Weiß diese Figuren durch zwei konsekutive Vorpläne 1.Sc7! Se3 [1.- d1D 2.S:d5 Db3 3.Sc4] 2.Sd5! S:d5 [2.- S:g2 3.Sc4 d1D 4.Sce3+ S:e3 5.S:e3+] 3.Lh3+ Kh4 4.Lg4! K:g4 5.Sc4 d1D 6.Se3+ S:e3 patt. Eine einprägsame Darstellung des Themas der Studienabteilung des 7. WCCT. Leider schlägt hier auch die sofortige Ausführung des Probespiels durch (Nebenlösung): 1.Sc4! d1D 2.Sc7! (oder 2.Sab6) und da die sD auf c4 nicht schlagen kann, hat Schwarz keine Handhabe gegen 3.S:d5.

5
Alexander Seletzki

Betschemaja Moskwa 1930

2. ehr. Erw.

wKh6, wLd6g8, sKc3, sTa1, sLd4

Remis (3+3)

In der Nr. 5 droht Schwarz 1.- Ta6 mit Eroberung des wLd6. Wegzüge des bedrohten Läufers helfen nicht weiter, z.B. 1.Le7? Ta6+ 2.Kh5 Ta8 3.Lh7 Ta7 oder 3.Ld5 Ta5, 1.Lf4? Th1+ 2.Kg6 Tg1+ 3.Kh7 Tg7+, 1.Lc7? Th1+ 2.Kg6 Tg1+ 3.Kf7 Tg7+ oder 1.Kh7? Ta7+. Somit verbleibt nur 1.Kh5! Ta5+ [1.- Th1+ 2.Kg6 Tg1+ (2.- Tf1 3.Le7) 3.Kf7] 2.Kh4! [2.Kg4? Ta6 3.Le7 Tg6+] 2.- Lf6+ 3.Kh3 Th5+ 4.Kg2 Tg5+ 5.Kh1! T:g8 [5.- Ld4 6.Lf7 Tf5 7.Le8 (oder 6.La2 Tf5 7.Lg3)] 6.Le5+ L:e5 patt. Eine überraschende Wanderung des wK in die untere Brettecke, die in einem bekannten Eckenpattbild endet, in tadelloser Konstruktion.

6
Alexander Seletzki

Schachmaty w SSSR 1934

wKh8, wTc1, wLa7, wSc3, wBa3g2, sKa1, sLb1, sSb3, sBa2a5g3h2

Gewinn (6+7)

Die Nr. 6 zeigt eine klassische Königstreppe, auf der der weiße Monarch hinabsteigt, um seinem in der anderen Brettecke eingekerkerten Widersacher den Garaus zu machen: 1.Sa4 Sc5! [1.- h1D+? 2.T:h1 Sc5 3.S:c5 Kb2 4.Se6 samt 5.Ld4+] 2.Kg8! [2.L:c5? h1D+ 3. T:h1 patt bzw. 2.S:c5? Kb2] 2.- S:a4 [2.- h1D? 3.T:h1 S:a4 4.Ld4+ Sb2 5.Td1 a4 6.Td2 oder 2.- Sb3? 3.Le3 h1D 4.T:h1 S~\ 5.L(:)d4#] 3.Ld4+ Sb2 4.Lh8! a4 5.Kg7 Sc4 6.Kf7+ Sb2 7.Kf6 Sc4 8.Ke6+ Sb2 9.Ke5 Sc4+ 10.Kd5+ Sb2 11.Kd4 Sd3 12.Kc4+ Sb2+ 13.Kc3 Sd1+ [13.- h1D 14.T:h1 Sd1+ 15.Kd2+ Sb2 16.Kc1] 14.Kd2+ Sb2 und nun die Schlusspointe mit Turm-Opfer 15.Tc2! L:c2 16.K:c2 h1D 17.L:b2 matt.

7
Alexander Seletzki

Schachmaty w SSSR 1931

1. Preis

wKf1, wTc1, wLg6, wSh8, sKg5, sLb1b8, sSe4, sBg7

Gewinn (4+5)

In der Nr. 7 droht Schwarz 1.- Sg3+ samt 2.- L:g6. Da der weiße Turm auf b1 nicht nehmen kann, muss zunächst der wK ziehen: 1.Kg2! [1.Kg1? La7+ 2.Kg2 Ld3 3.Td1 Sf2; 1.Ke1? Ld3 2.Td1?? Lg3 matt.] 1.- Ld3 2.Td1 Sf2! [2.- Lc2 3.Td8 Lf4 4.Td4 bzw. 3.- La7 4.Kf3 Sd2+ 5.T:d2 L:g6 6.Tg2+; 3.- Lc7 4.Tc8 Sd6 5.T:c7 L:g6 6.S:g6; 3.- Ld6 4.Kf3 Sd2+ 5.Ke2 L:g6 6.T:d6; 3.- Le5 4.Kf3 Sd2+ 5.T:d2 L:g6 6.Td5 Kf6 7.S:g6] 3.K:f2 La7+! [3.- L:g6? 4.Tg1+] 4.Ke1! [4.Kg3? L:g6 5.Td7 Lb8+! oder 4.Kg2? L:g6 5.Td7 Le4+! oder 4.Kf3? L:g6 5.Td7 Lh5+!] 4.- L:g6 5.Td7 Lb8! 6.T:g7 Kh6 7.T:g6+ Kh7 [Nun hat sich der Pulverdampf verzogen, aber Weiß muss weiterhin präzise spielen.] 8.Te6! Lg3+ 9. Ke2! K:h8 10.Kf3. "Die Hauptvariante besticht durch eine Reihe interessanter Momente: das effektvolle Gegenopfer des Schwarzen im zweiten Zug, das feine beidseitige Spiel, den aktiven weißen König, und - am Ende der Kombination - der Fang des schwarzen Läufers, all das schimmert vor den Augen des verwunderten Betrachters wie in einem Kaleidoskop." (Preisrichter Arvid Kubbel, zitiert nach Fomitschow, a.a.O., S. 16)

8
Alexander Seletzki

1936 64

1. Preis

wKa4, wSa2f2, wBb5, sKb2, sLa7, sSc2c8

Remis (4+4)

In der Nr. 8 wirft Weiß den Sa2 und Bb5 über Bord, um durch den dann unverwundbaren weißen Siegfried f2 auf raffinierte Weise das Patt zu erzwingen: 1.Sb4! S:b4 [1.- L:f2 2.Sd3+; 1.- Sb6+ 2.Ka5 Sc4+ (2.- S:b4 3.K:b4 Sd5+ 4.Kc4 Se3+ 5.Kd3) 3.Ka6 L:f2 4.Sd3+] 2.b6! L:b6 [2.- S:b6+ 3.K:b4 Sd5+ 4.Kc4 Se3+ 5.Kd3(Kb5)] 3.Se4 Sa2 [auch auf andere Züge des sSb4 hält 4.Sd6 Remis, z.B. 3.- Sa6 4.Sd6 Sc5+ 5.Kb5(Kb4)] 4.Sd6! [droht 5.Sc4+/S:c8] 4.- Sc3+ [4.- S:d6 patt] 5.Kb4 Sd5+ [5.- S:d6 patt] 6.Ka4 Lc5! [6.- S:d6 patt] 7.S:c8 Sc7 8.Ka5 Ka3(Kb3) [8.- Kc3 9.Sb6] 9.Sa7! [9.Sb6? Lb4#] 9.- L:a7 patt. Klassische Eleganz!

9
Alexander Seletzki

Schachmaty w SSSR 1933

1. Preis

wKf2, wDg1, wLe2, wSd3, wBd7, sKf7, sDf8, sLc6, sSa7

Gewinn (5+4)

Die Nr. 9 ist wohl die bekannteste Studie von Seletzki, ein häufig zitiertes Meisterstück, das m. E. zu den spektakulärsten Werken der gesamten Studienliteratur gehört. Genießen wir zunächst die Hauptvariante ohne uns mit analytischen Details zu belasten: 1.Dg5! (i) Ke6+ (ii) 2.Kg1! (iii) K:d7 (iv) 3.Sc5+ Kc8 (v) 4.La6+ Kb8 5.Dg3+ (vi) Ka8 6.Lb7+! (vii) L:b7 7.Sd7 (viii) Dd8 8.Db8+! D:b8 9.Sb6 matt. "Ein Studienfund mit dem erstickten Matt des Lucena, der durch die gesamte Weltpresse ging." (Fomitschow, a.a.O., S.77) Der sK wird nach a8 getrieben und in einem effektvollen Opferfinale durch den verbliebenen weißen Springer mattgesetzt. Nebenvarianten und Verführungen sind: (i) 1.Lh5+? Ke7+ 2.Ke1 Df6! [2.- K:d7? 3.D:a7+ Ke6 4.De3+ Kd7 5.Se5+ Kc7 6.Da7+; 2.- L:d7? 3.Dc5+]; 1.Ke1? L:d7 2.D:a7 Dd6; (ii) 1.- L:d7 2.Sf4! droht 3.Lh5 matt und die sD hat jetzt kein gutes Feld: 2.- Dd6 3.Lc4+ Kf8 4.Dg8+ Ke7 5.Sd5+ oder 3.- Ke8 4.Dg8+ Df8 5.Lf7+ Ke7 6.Sg6+; 2.- Da8/Db8/Dc8/Db4/Da3 3.Lh5+ Kf8 4.Df6+ Kg8 5.Df7+ Kh8 6.Sg6 matt; 2.- Dh8 3.Lh5+ Kf8 4.Sg6+; 2.- Dg7 3.Lc4+ Kf8 4.Dd8+ Le8 5.Se6+; 2.- De7 3.Lh5+ Kf8 4.Sg6+; (iii) 2.Ke1? K:d7 3.Sc5+ Kc8 4.La6+ Kb8 5.De5+ Ka8 6.Lb7+ L:b7 7.Sd7 Db4+! bzw. 4.De5 Ld7! [4.- Dh6? 5.Lg4+ Kd8 6.Se6+ Ke7 7.Sf4+ Kf8 (7.- Kd8 8.Db8+ Ke7 9.D:a7+; 7.- Kf7 8.Lh5+ Kf8 9.Db8+) 8.Dc5+ Kg7 9.D:a7+ Kf6 10.Dd4+ Kg5 (10.- Kf7 11.Lh5+ Kg8 12.De5) 11.Lh5 Df6 12.Sh3+ Kf5 13.Lg4+ Kg6 14.Sf4+ Kf7 15.Le6+] 5.Sa6 Kd8 6.Dc7+ Ke7 7.Dc5+ Kf7 8.Lc4+ Kg7 9.Dd4+ Df6 10.D:d7+ Kf8 11.D:a7 Dc3+; (iv) 2.- L:d7 3.Lg4+ Kd6 4.Dc5+ bzw. 3.- Kf7 4.Lh5+ Ke6 5.De5 matt; (v) 3.- Kd6 4.Dg3+ Ke7 [4.- Kd5 5.Lc4+ K:c4 6.Db3+ K:c5 7.Da3+] 5.De5+ Kf7 6.Lc4+ Kg6 7.Ld3+ Kh6 8.De3+ Kh5 9.Dh3+ Kg5 10.Se6+ oder 7.- Kf7 8.De6+ Kg7 9.Dg6+ Kh8 10.Dh7 matt; (vi) 5.Se6? Dd6!; (vii) 6.Se6? Df3!; (viii) 7.Se6? Df7!

3. Vergleichsstudien

Nachfolgend einige Vergleichsstudien mit früheren Darstellungen der in Seletzkis Werken verwendeten Motive.

1a
Jewgeni Somow-
Nasimowitsch

1927 64

1. Preis

wKa4, wBa6, wBf6, sKc2, sLh2, sSd7, sBc4e5

Remis (3+5)

Die in der Nr. 1 gezeigte Kombination einer Läufer- und Springer-Gabel konnte ich bei meinen Recherchen erstmalig im Jahr 1927 in der Nr. 1a ausmachen: 1.a7! Lg1! [1.- Sb6+? 2.Kb5 Sa8 3.f7] 2.a8D Sb6+ 3.Kb4! [3.Kb5? S:a8 4.f7 Sc7+ 5.Kc6 Se6] 3.- S:a8 4.f7 Sc7! [4.- Lc5+? 5.K:c5 Sc7 6.Kd6] 5.f8D Lc5+! 6.K:c4! L:f8 patt [6.D:c5? Sa6+ 7.K:c4 S:c5 8.Kd5 Sd7(Sd3) bzw. 6.K:c5? Se6+].

2a
Gleb N. Sachodjakin

1931 64

1. Preis

wKd4, wLd3, wBg5, sKh8, sSa8

Gewinn (3+2)

Der Abfang eines schwarzen Springers in der Nr. 2 erinnert an das Meisterwerk Sachodjakins [ Nr. 2a], ohne an dieses heranzureichen: 1.Kc5! [droht 2.Kc6, falls 1.Kd5? Sb6+!] 1.- Sc7 2.Kd6 Se8+ 3.Ke7! [3.Kd7? Sg7 4.Lg6 Kg8 5.Ke7 Kh8 6.Kf7 Sf5!] 3.- Sg7! [3.- Sc7 4.Kf7 Sd5 5.g6] 4.Lg6! Kg8 5.Lf7+ Kh7! 6.Kf6 Kh8 7.Ke5! [7.Kg6? Se6!] 7.- Kh7 8.Ke4! Kh8 9.Kf4 Kh7 10.Kg4 Kh8 11.g6. Nach 5.- Kh8 kann Weiß auf den Temposchlenker 8.Ke4! verzichten: 6.Kf6 Kh7 7.Ke5 Kh8 8.Kf4 Kh7 9.Kg4 Kh8 10.g6.

2b
Unbekannter Verfasser

Nr. 93 Alfonso-Handschrift
1283/1284

wKe5, wSh5, wBg6, sKh8, sSe8

s. Text (3+2)

Dieses Abfangmotiv findet sich bereits in mittelalterlichen Handschriften, als Beispiel sei die Nr. 2b genannt, in der die altorientalischen Regeln des sog. "Beraubungssieges" gelten. Danach hat eine Partei dann gewonnen, wenn es ihr gelingt, sämtliche gegnerischen Steine (außer dem König) zu erobern und zumindest eine eigene Figur (neben dem König) zu behalten. Die Forderung der Nr. 2b lautet: Die Weißen spielen zuerst, und sie siegen mit ihren eigenen Zügen. Als Lösung gibt die Alfonso-Handschrift 1.g7+! S:g7 2.Sf6 mit Eroberung des sS an. Nach 1.- Kg8/Kh7 2.Sf6+ S:f6 3.K:f6 bleibt der wBg7 übrig 7).

4a
Jesper Jespersen

Nationaltidende 1890

wKh2, wLb5, wSa5, sKf3, sSc2, sBd2

Remis (3+3)

Die Grundidee zu dem Schema der Nr. 4 stammt bereits aus dem Jahre 1890 [ Nr. 4a]: 1.Le8! Kg4 2.Ld7+ Kf4 3.Lg4! K:g4 4.Sc4 d1D 5.Se3+ S:e3 patt.

4b
Jesper Jespersen

Korrektur: Stephen
Rothwell, Urdruck

Nationaltidende 1901

wKh2, wLb6c8, wSa5, sKf4, sSc2, sBd2

Remis (4+3)

In späteren Jahren hat Jespersen noch einige Variationen veröffentlicht, so z.B. die Nr. 4b: 1.Lc7+! [1.Le3+? S:e3!; 1.Lg4? K:g4!] 1.- Kg5 [1.- Kf3 2.Kh3 Se3 3.Lb7+ Ke2 4.La6+ Kf3 5.Lb7+] 2.Lf4+! [2.Ld8+? Kh5!] 2.- K:f4 3.Lg4! K:g4 4.Sc4 d1D 5.Se3+ S:e3 patt. In der ursprünglichen Fassung stand der wLb6 auf d8 mit der Intention 1.Lg5+! K:g5 2.Lg4! etc., allerdings gibt es hier die Nebenlösung 1.Lc7+! Kg5 2.Lf4+! etc., die ich in meiner Korrektur zur Lösung umfunktioniert habe.

5a
Sergej M. Kaminer

Schachmatny Listok 1925

wKh1, wLd7d8, sKh8, sTb8, sLc3

Remis (3+3)

Ein Zwillingsbruder der Nr. 5 ist die Nr. 5a: 1.Lh4! [1.Lg5? Tb7 2.Lh3 Th7 3.Kh2 Le5+ 4.Kg2 Tg7] 1.- Tb7 2.Lf5! Tb5 3.Lg4! [3.Lg6? Kg7 4.Le8 Te5] 3.- Tb4 4.Lg3! T:g4 5.Le5+ L:e5 patt. Der weiße König steht bereits in der Pattecke, die präzisen weißen Läuferzüge haben aber auch ihren Reiz.

7a
Theodore Herlin

La Nouvelle Régence 1861

wKg5, wTc5, sKa8, sLf7

Gewinn (2+2)

Die abschließende Läufer-Abfangidee der Nr. 7 wurde wohl erstmals von Herlin dargestellt [Nr. 7a 1.Kf6! etc.], der in der La Nouvelle Régence 1861 eine Serie von Studien mit dem Material Turm gegen Läufer veröffentlichte. Die Stellung der Nr. 7a kann entlang der Diagonalen h1-a8 gespiegelt werden [Lösung ist dann 1.Kc3! etc.]. Eine Platzierung des wK auf e5 (statt g5) bzw. d4 8) (statt d2) ist wegen der Nebenlösungen 1.Tc7! bzw. 1.Tb6! nicht möglich. Zu Seletzkis Nr. 7 gibt es eine Handvoll Nachläufer, die alle nicht die Meisterschaft dieses Preisträgers erreichen 9).

9a
Paul Keres

Magyar Sakkvilág 1936

Ehrende Erwähnung

wKc1, wDh2, wSe1, sKa1, sBb3c3h4, sLh7

Gewinn (3+5)

Das erstickte Matt wird in zahlreichen Studien gezeigt, ich beschränke mich hier auf die Angabe von zwei Vergleichsstücken. Nr. 9a: 1.Sc2+! Ka2 [1.- L:c2 2.Db8 Lb1 (2.- b2+ 3.K:c2) 3.D:b3; 1.- b:c2 2.Db8] 2.Sb4++ Ka1 3.Da2+! b:a2 4.Sc6! nebst 5.Sd4 ? 6.Sb3 oder 6.S(:)c2. Nach 2.- Ka3 folgt 3.Sd3! L:d3 4.Dd6+ Ka2 [4.- Ka4 5.D:d3] 5.Dd5! nebst #2.

9b
Friedrich Köhnlein

Akademische Monatshefte
für Schach 1914

Version: A. Cheron,
Lehr- u. Hdb. d. Endsp. III,
Nr. 1803

wKh4, wDe6, wTh1, wSd6, sKc7, sDg2, sTc8f8, sBa7b7c2e5g7h7

Gewinn (4+10)

Nr. 9b: 1.Sb5+ Kb8 2.Dd6+! [2.D:e5+?? Ka8 3.Sc7+ T:c7] 2.- Ka8 [2.- Tc7 3.D:f8+ Tc8 4.Dd6+ Ka8 5.Sc7+] 3.Sc7+ Kb8 4.Sa6++ Ka8 5.Db8+ T:b8 6.Sc7#; 1.- Kd8 2.Dd6+ Ke8 3.D:e5+ Kf7 [3.- Kd7 4.Dd6+ Ke8 5.Te1+ (Nur für diesen Zug wird der wTh1 benötigt) 5.- Kf7 6.De6#] 4.Sd6+ Kg8 5.De6+ Kh8 [5.- Tf7 6.D:c8+ Tf8 7.De6+ Kh8 8.Sf7+] 6.Sf7+ Kg8 7.Sh6++ Kh8 8.Dg8+ T:g8 9.Sf7#. Gegenüber der Urfassung von Köhnlein [Kc1, De6, Td1, Sd6, Bc2, d2; Kc7, Dg2, Tc8, f8, Sa4, Ba7, b7, e5, g7, g6, h7] wurden drei Steine eingespart, der weiße Turm konnte aber nicht wegpoliert werden.

Zum Schluss gilt mein herzlicher Dank Harold van der Heijden für einige wertvolle Hinweise zu diesem Beitrag und Frank Richter für die hilfreiche Übersetzung russischer Quelltexte.

Fußnoten:
1) Jewgeni Fomitschow: Sachmatnaja kompozicija v Gor'kom, Volgo-Vjatskoe Kniznoe Izdat., Gorki 1989
2) Drei Studien von Seletzki aus der Datenbank habe ich wegen Inkorrektheiten bzw. Vorwegnahmen nicht in diesen Artikel aufgenommen: Nr. 14.685 [vorweggenommen durch 11.390 (Toptschejew), 11.391 (Toptschejew)], 16.856 [vorweggenommen durch 8.424 (Gunst), ferner unlösbar nach 2.- Ke8!], 59.093 [unlösbar nach 4.- f5!] 3) M. A. Sutherland and H. M. Lommer: 1234 Modern End-Game Studies, Printing-Craft Limited, London 1938, H. M. Lommer: 1357 End-Game Studies, The Best Chess Compositions 1935-1973, Pitman and Sons Limited, London 1975 }
4) Die beabsichtigte Autorlösung der Urfassung ist wie folgt: 1.Sf6! Kb2 2.Kf4 Sd1 3.Se4 K:a1 4.Le2 Sb2 5.Sc3. Weiß gewinnt allerdings auch mit 1.Sc7! Kb2 2.Kf4 Sd1 3.Sd5 K:a1 4.Le2 etc. und somit besteht im dritten Zug der Autorlösung der Dual 3.Sd5! Ferner gewinnt auch 1.Kf4! Sd5+ 2.Ke4(Ke5) Sb4 3.Sc7 Kb24.Kd4 K:a1 5.Kc3 Sa2+ 6.Kb3 Sc1+ 7.Kc2.
5) Die beiden genannten Sekundärquellen geben nur die fett gedruckten Lösungszüge ohne weitere Analysen an. Die Originalquelle Schachmaty wSSSR stand mir nicht zur Verfügung, so dass ich die Original-Lösungsbesprechung dieser Studie leider nicht verifizieren konnte.
6) Nach alternativen Fortsetzungen im dritten Zug hat Schwarz m.E. auch nicht mehr als Remis, z.B. 3.- Lg6 4.Kd8 Lf5 5.Lf3 Ka7 6.Lc6 Sd6 7.f8D S:f8 8.Ke7; 3.- Lg4+ 4.Ke8 Sd6+ 5.Kd8 Ka7 6.f8D; 3.- Le2 4.Le4 Lb5+ 5.Kd8 Sf8 6.Lf5 Sd6 7.Lb1 S:f7+ 8.Ke7 bzw. 4.- Lg4+ 5.Kd8 Sf8 6.Ke8 Sd7 7.f8D.
7) Vgl. hierzu: v. d. Lasa: Zur Geschichte und Literatur des Schachspiels, Leipzig 1897, S. 66. Die Seitenangabe bezieht sich auf den mir zur Verfügung stehenden Fotomechanischen Neudruck der Originalausgabe des Zentralantiquariats der DDR, Leipzig 1976.
8) Vgl. Nr. 2.263 in der Endgame Study Database 2010.
9) Vgl. z.B. Nr. 22.339, 30.495 und 49.607 in der Endgame Study Database 2010.

 


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